Überblick 2016:

Kirchenfenster in Grasdorf (2. November 2016)

Kraniche (29. Oktober 2016)

Berlintrip mit Olympiadorf (19., 22., 27. Oktober 2017)

Hamburg - Hafenrundfahrt (1. Oktober 2016)

Hildesheim mit Dom (8. September 2016)

Italien 16. August (Tiere), 28. Juli (Trulli), 25. Juli (Matera), 20. Juli, 16. Juli (floating piers - Lago d'Iseo), 14., 13., 12.,

                   11. Juli, 24. Juni 2016

Berlin ganz allein (12.,. 6. Februar, 5. Februar (Kinderkrankenhaus Weißensee)

Truppenübungsdorf in der Heide (2. Januar)

 


Mittwoch, 2. November 2016

Fahrradkirche

Kürzlich in der Börde kamen wir auf einem Spaziergang in einem kleinen Dorf an der Kirche vorbei, die äußerlich eher unscheinbar wirkte. Als "Fahrradkirche" war sie auch um halb sieben abends noch offen, und wir guckten kurz rein, eher pflichtgemäß. Dann waren wir aber ganz gefangen von den neuen Kirchenfenstern, die 2001 entstanden sind. Die Kirche selbst ist aus dem Jahr des Westfälischen Friedens, also 1648, die Bauernkriege waren vorbei, Zeit, eine neue Kirche zu bauen. Für einen Turm hatte es nicht ganz gereicht, nur einen Dachreiter gab es, bis 1936 auch ein Turm angebaut wurde. Und nun neue Fenster. Im Internet wird die Kirche übrigens (wie auch die andere, evangelische, in dem Dorf) als "Autobahnkirche" bezeichnet. Dranstehen tut aber "Fahrradkirche", und das ist ja auch irgendwie wesentlich sympathischer. Fußgänger dürfen auch rein.  Und weil für die Fuß-, Rad- oder Autowanderer die Kirche täglich von morgens bis abends geöffnet ist, konnte ich am nächsten Morgen noch mal vorbeikommen und ein paar Fotos machen. Die Weinflasche verweist auf die Hochzeit zu Kanaa, ist keine Anspielung auf einen genusssüchtigen Kirchensprengel. Manches Detail war mir zu heilig, zu engelhaft, erinnerte mich an viele Bilder in den esoterischen Zeitschriften, die ich in den achtziger Jahren intensiv gelesen hatte. Aber eine beeindruckend moderne katholische Kirche, ohne Kreuz über dem Altar, wenig dogmatisch. Weltoffen. Auch für Radfahrer. Ich hab eine kleine rote Kerze angezündet.


Sonnabend, 29. 10. 2016

Alte Freunde

Warum ich die Kraniche erst vor ein paar Jahren entdeckt habe, weiß ich nicht. Dabei rasten sie hier um die Ecke zu tausenden, wenn sie im Herbst nach Süden ziehen, und im Frühjahr sind sie dann auch wieder da. Dann trompetet es von allen Seiten auf den Feldern bei Tiste, dem Ekelmoor und dem Großen Moor bei Vaerloh. Wir kennen das auch von Ummanz bei Rügen oder Zingst auf dem Darss, es ist mittlerweile ganz vertraut, neue alte Freunde. Jetzt sind sie gerade zugange, auch über unserem Haus fliegen immer mal welche in der stromlinigen Pfeilform, ein oder zwei Scouts vorneweg, die nach geeigneten Futter- und Schlafplätzen Ausschau halten. Tagsüber halten sie dann Nachlese auf abgeernteten Maisfeldern, nachts schlafen sie im flachen Wasser des naturgeschützten Tister Bauernmoores. Dort machen sie dann auch morgens und abends einen Mordslärm, aber wenn man sich ihnen tagsüber auf dem Feld ganz unschuldig und arglos und langsam ein bisschen nähert, nur so auf hundert Meter, und kein Pieps macht, dann sind sie plötzlich ganz sensibel und fliegen auf, ehe man nahe genug dran ist, um mal die eine oder andere Charakterstudie machen zu können. Dann ist das Tele ganz ausgefahren, und das Foto womöglich noch beim Bearbeiten etwas herausvergrößert, schon hat man die unerwünschtesten Artefakte auf dem Foto, einen  gemalt aussehenden grünen Hintergrund wie auf dem Hirschgemälde über dem Sofa von Oma und Opa, pixelig bis zum Abwinken. Aber so sind sie halt, unsere Kraniche. Und eben doch auch unvergleichlich elegant, ob sie nun stehen oder fliegen, so dass mein Auslösefinger keine Ruhe findet, auch wenn ich schon ein paar hundert Kranich-Fotos auf der Festplatte habe. Und auch wenn sie mir den Hintern zudrehen, wie hier oben, sind sie trotzdem die schönsten. Gleich nach den Flamingos (hoffentlich haben sie das jetzt nicht gehört, ich glaube, sie sind wahnsinnig empfindlich, wenn sie nur zweiter werden)...Und die Flamingo-Konkurrenz fängt auch frühestens im Vogelpark Walsrode an, und in freier Wildbahn in den Salinen südlich von Venedig. Also hier sind die Kraniche einsame Spitze, jedes Jahr wieder.

 


Donnerstag, 27.10.2016

Wer hat denn da die Uhr verstellt?

Dreimal zwölf nach vier, zweimal zwölf vor acht. Eine knappe Mehrheit, und wen man ganz genau hinguckt, dann ist auf halber Höhe links noch eine versteckt, die dann ein Patt herstellen würde. Dem Glücklichen schlägt keine Stunde... (gesehen auf dem U-Bahnhof Eberswalder Straße).

 

 

 

 

 

 

 

 


Sonnabend, 22.Oktober 2016 - Spaßbad

Wustermark-Elstal

Die Trainingsschwimmhalle im Olympischen Dorf von 1936 wirkt noch abgeschrab- belter, als sie ohnehin ist, weil die Kacheln durch den Frost immer wieder abfallen. Das Dach war auch schon fast hin, nachdem es eine Brandstiftung gegeben hat- te, aber jetzt ist die äußere Hülle neu und stabil (ein Hinweis auf eine geplante Zukunft -  Spaßbad Wuster- mark - Elstal?...). Dafür sind die alten Fenster raus, stehen noch in der Abseite, die neuen haben Doppelverglasung... ein bisschen Schwund ist immer.  Das schöne Tonnengewölbe  in der Halle blieb zum Glück erhalten.

Das Haus der Nationen mit seinem elliptischen Grundriss bot frische Luft satt auf großen vorgezogenen Balkonen (unten links), nicht zuletzt wegen der vorgesehenen Nutzung als Lazarett der Kaserne, die nach den Olympischen Spielen in das Dorf einzog. Ein Hauch von Zauberberg, Kranke auf Liegen in der herbstlichen Luft, in Decken gehüllt, leicht fiebernd...  Vom Innenhof aus wurden die Küchen mit Nachschub versorgt (unten Mitte). Übrigens wurde auf das Olympische Dorf (obwohl bekannterweise Kaserne) keine einzige Bombe geworfen. Ob da die geplante Nachnutzung als Kaserne der jeweiligen Siergermacht schon eine Rolle spielte?

Das letzte Bild ist zugegebenermaßen nicht mehr Olympisches Dorf, sondern ein paar Kilometer weiter, in der Kleinstadt Nauen, wegen früherer Bedeutung in der drahtlosen Telegraphie  "Funkstadt" benannt. Bei uns hat es nicht gefunkt, es war ein schläfriger Flecken mit zugegeben reizvollen Fachwerk- und Backsteinbauten, liebevoll restauriert, aber in tiefem Schlaf. Hoffentlich Rekonvaleszenz. Hier "Der kleine Markt" im Stadtzentrum (unten rechts). Kittelschürzen. In allen Rosè- und Türkistönen. Als ich vor Jahren mal öfter per Intercity nach Berlin gefahren bin, bin ich hier in der Gegend von Nauen immer an einem Gebäude vorbeigerollt, an dem stand: "Preiswert und leistungsstark - Märkischer Möbelmarkt". Das sind Werbeoffensiven! "Der kleine Markt" in Nauen bietet sich an, wenn es um eine neue Schürze geht. Nächstesmal dran denken.


Mittwoch, 19. Oktober 2016

Leni war auch hier.

Das Olympische Dorf in Wustermark bei Berlin

Im Februar hatte ich hier vor verschlossenem Tor gestanden. Von November bis März ist das Olympische Dorf der Spiele von 1936 nämlich geschlossen, zu kalt, zu einsam. Jetzt erwischten wir die Führung gerade noch rechtzeitig, was ein Glück war, denn Führung ist hier "muss". Sonst kann man nur auf dem Gelände rumlatschen und kommt weder in die Trainingsschwimmhalle noch in die Sporthalle und schon gar nicht in das Hindenburg-Haus rein.  Und besonders dieses Haus ist ein Knaller, was die architektonische Sprache angeht. Es war während der olympischen Spiele das Kulturhaus, wo Filme gezeigt wurden und erste Fernsehberichte von den Wettbewerben desselben Tages (!). Später war es wie die ganze Anlage (von vornherein so geplant) Militärakademie und Offiziersschule, mit dem Hindenburghaus als Hörsaal für tausend Offiziersanwärter. Ich fand, dass diese militärische Nazi-Nutzung die Architektur noch nicht so bestimmt hat wie in späteren Jahren, und der Saal ist heute noch eine Wucht. Von unserer Rundfahrt Hildesheim - Magdeburg - Berlin hier als erstes Kapitel also das Hindenburghaus. Die Architektenbrüder March haben sich hier ein Denkmal gesetzt, finde ich.

Der zweite Teil des Leni-Riefenstahl-Films über die Olympischen Spiele ("Fest der Schönheit") beginnt im olympischen Dorf. Ich habe ihn noch nicht gesehen, seit ich die Rammstein-Video-Clips immer weggeschaltet habe, will ich diese (Un-)Art der Ästhetik eigentlich auch gar nicht. Aber vielleicht sollte ich doch mal, nur interessehalber, sozusagen aus Forschungszwecken...

Es gibt mehr zu sehen hier als das Hindenburghaus, aber das hat mich am meisten beeindruckt. Das große Haus der Nationen (siehe post vom 22.10.2016, weiter oben!), mit seinen vierzig Speisesälen und vierzig Küchen (die größeren Mannschaften hatten immer eine für sich, Haiti und Barbados und so m ussten sich da was teilen) war auch gut durchdacht und es wäre schön, wenn sich eine Nachnutzung fände, die den Verfall verhindern könnte. Wenn ich so sehe, was sonst alles erhalten wird und zuckerbäckermäßig wieder hergestellt (gerade gestern am Wasserwerk in Lichterfeld vorbeigefahren...), dann sollte doch die eine oder andere Million hier fließen können. Beckenbauer, übernehmen Sie!


Sonnabend, 1. Oktober 2016

Im Hafen wird's Herbst

Wochenlang hat den Spätsommer über und im beginnenden Herbst die Sonne geschienen. Jetzt kommt das Wetter, das zu Hamburg gehört, und zum Hafen auch. Es ist diesig, gegen Abend wird es richtig ein bisschen neblig. Der Klabautermann kann ungestört durch die Hafen City geistern, Klaus Störtebeker fährt mit der Hafenfähre zum "Wunder von Bern",  dem Musical für Wiedergänger,  und  Elphi ragt über dem Ganzen auf wie das Schloss der Elbsirenen. Diesig ist gespenstisch, ein bisschen wenigstens, wenn auch der abschließende Blick von der Terasse des Hotel Hafen Hamburg nicht nur mystisch wirkt, sondern irgendwie filigran und feingewirkt. Die roten Luftballons gehören wohl zu einer Cardiologen-Feier  im Clubraum unter uns, anlässlich fünfhundert gelungenen Operationen am offenen Herzen. Alles ist möglich.

Der Hafen ist bunter, als man denkt, wie ein alter Malerkittel voller Farbkleckse sehen manche Docks aus, und street art wird zur Wasserkunst. Der ewige Wattebausch hängt über dem Schornstein des Kohlekraftwerks von Vattenfall, dem neuen Hamburger Wahrzeichen, schon von uns zuhause aus dem Landkreis Harburg gut zu sehen, und die Containerschiffe für alle erdenklichen Waren sowie Menschen (letztere genannt Kreuzfahrtschiffe) ragen majestätisch über den Köhlbrand und den Kaiser-Wilhelm-Hafen.


Donnerstag, 08. September 2016

Hildes Heim und die Weltkultur

Wo Ludwig der Fromme dem weißen Hirschen nachsetzte und an der Stelle des mirakulös auftauchenden Rosen-stockes eine Kapelle erbaute,  stehen heute Kirchen sonder Zahl, und eine weltkultureller als die andere. Der Dom wurde gerade renoviert und weiß gekalkt, streng und schnörkellos präsentiert er sich samt tausendjährigem Rosenstock (s. Ludwig), der eigentlich schon über 1201 Jahre alt sein müsste (hatte doch Ludwig seine Erscheinung im Jahr 815). Biologisch wurden ihm aber nur knapp 890 Jahre zugestanden, also real ein Pflänzchen. Erwähnt wurde der Rosenstock erstmals im achtzehnten Jahrhundert, aber es ist zweifelsohne eine Hundsrose, ein regionales Gewächs.  Nach der Zerstörung des Doms im Zweiten Weltkrieg soll der Originalstrauch aus den Trümmern wieder gesprossen sein. Naja, weißer Hirsch und Sprösslinge aus den Trümmern, naja... aber es geht um Glauben, nicht Wissen. Ich glaube, der Dom hat uns wirklich gefallen. Und die Michaelisskirche auch. Hildesheim ist nach dem Krieg in der bekannten Manier schnell und anspruchslos wieder aufgebaut worden, aber die Altstadtstraßen un d die Kirchen strahlen eine Würde aus, die man suchen kann. Hier findet man sie.

Das bunte Kunstwerk hier rechts oben ist Anna selbdritt, also zumindest das, was davon übriggeblieben ist, man sieht nur noch Maria und das Christuskind, die heilige Anna (Marias Mama)  scheint versprengt zu sein.

Unten sieht man noch Blicke ins profane Hildesheim, abseits des Weltkulturerbes. Der Alltag des menschlichen Erbes in der 1200 Jahre alten Stadt hat auch was zu bieten. Das Flüsschen ist die Innerste, ob es auch eine Äußerste gibt, könnte ich nicht sagen. Der Marktplatz bietet Raum auch für  etwas plattere Rituale als die im Weltkulturerbe. Was die jungen Leute im roten Overall mit Seniorenwindeln da abfeiern, bleibt im Verborgenen. Ist vielleicht auch besser so.


Dienstag, 16. August 2016 - Tiere

Eine Reise ins südliche Italien ist ja nicht aus sich heraus eine Tiersafari. Trotzdem kommen sie einem vor die Linse, die Vögel und Hunde und Esel und so weiter. Und sie gehören auch dazu, die schlafenden Hunde, die man nicht wecken soll. Und die streunenden Katzen, die nachts alle grau sind. In Atri (links) wohnen die Tauben in den Lüftungsöffnungen der Kirchenfassade. Wenn sie ihr Heim anfliegen, werfen sie interessante Schatten. Und wenn der Fotograf dann gerade beim doppelten Espresso im Cafe vor der Kathedrale sitzt, kann er darüber nicht hinwegblicken. Die wilden Pferde im Gargano (erste Zeile unten) sind ebenso überraschend wie die Flamingos in der Salina Margherita di Savoia. Selbst Möwen können interessant sein, wenn sie kokettieren oder einfach nur ihre rotumränderten Augen sprechen lassen. Und springende Katzen oder surfende Hunde lohnen allemal ein Foto.


Donnerstag, 28. Juli 2016 - Die Trulli

Rund um Alberobello, Locorotondo und Martina F. (so steht es auf den Straßenschildern, vollständig Martina Franca) wimmelt es von Trulli. In der Landschaft sehen sie schnuckelig aus, so klein und rund und knuddelig mit den Dächern wie kleine runde graue  Hüte, und unten rum meist blendend weiß gekalkt.   Es gibt sie angeblich seit fast fünfhundert Jahren, und regional fallen sie etwas unterschiedlich aus. Nördlich von Bari zum Beispiel sind sie stufig:

Aber im Süden wie Zwergenhäuser, manche verfallen und sind dann farblich dem Untergrund angepasst, andere geweißt und zu einem Dasein als Ferienhaus bereitet, wenn denn der Stromanschluss mal kommt:

In Alberobello, der Hauptstadt der Trulli, können sie einem fast ein bisschen leid tun, die putzigen Kleinen. Da gibt es ganze Stadtteile, die seit dreihundert Jahren nur aus Trulli bestehen. Sie sind saniert und heute eine Touristenattraktion par excellence. Da wimmelt es, dass der Fotograf seine liebe Mühe hat, die ursprüngliche Einsamkeit der Gassen einzufangen, die auf den Retro-Postkarten aus grimmigen Wintertagen zu sehen sind, aber jetzt mit der Sonne wirkt es eigentlich immer malerisch und nicht so abweisend, wie es in anderen Jahreszeiten auch sein kann.

In der letzten Zeile links das ist der Blick in die Kuppel der Trulli-Kirche, die im selben Gebäude untergebracht ist wie das kommunale Kino mit dem Gemeinde-Veranstaltungsaal. Wirkt irgendwie pragmatisch.


Montag, 25. Juli 2016 - Wir sehen uns 2019 in Matera

Matera liegt südöstlich von Bari an der Grenze zwischen Apulien und der Basilikata. Auf der falschen Seite der Grenze, das wurde mal wichtig. Vor fünfhundert Jahren gehörte noch alles zusammen, und aus Matera kamen handwerkliche Produkte für die Landwirtschaft im fruchtbaren Apulien. 1663 wurde dann eine Grenze zwischen  Apulien und der Basilikata gezogen, die Handwerkerschaft in den Höhlenwohnungen von Matera verlor ihren Absatzmarkt und verließ den Ort nach und nach. Es gab noch kein Freihandelsabkommen.  Der Verlust wurde ein bisschen wettgemacht durch die Verwaltung, die nach Matera kam, weil es dann Hauptstadt der Basilikata wurde. Aber auch diese Funktion verlor sie weder, neue Hauptstadt wurde Potenza, und Matera wurde von der Geschichte abgehängt. Übrig blieben nur die Jahrhunderte alten Höhlenwohnungen, deren Bewohner wurden immer ärmer, und in der ersten Hälfte das 20. Jahrhunderts waren es die reinsten Slums mit horrend hoher Kindersterblichkeit und hoffnungsloser Armut. Nach Carlo Levis Buch "Christus kam nur bis Eboli" (1945) über das Elend in der Basilikata und speziell in den Höhlen von Matera griff die Politik den Skandal auf und die Höhlen wurden geräumt. Ersatzwohnblocks  wurden gebaut, die aber von den Menschen aus den Sassi nicht angenommen wurden. Zurück blieben Ruinen und Steine, Höhlen und Treppen, und nach und nach kehrte neues Leben ein. 20000 Menschen hatten in den Stadteilen der Höhlen gelebt, heute sind sie sparsam und zeitgemäß saniert, werden als Atelier oder Bed and Breakfast genutzt, eine Menge steht noch leer. Es gibt eine Musikhochschule und ein kleines Haus der italienischen Umweltstiftung, wo in authentischer Umgebung ein spannendes Video über die Geschichte von Matera gezeigt wird.  2019 wird Matera Kulturhauptstadt Europas sein, und die charmante Fußgängerzone wird eine idealer location für Open Air Konzerte, und performances finden in den Sassi-Vierteln einen genialen Ort. Wir werden dort sein!

Es ist vielleicht ein wenig romantisierend, die Vergangenheit mit einer Balance von Politik (Herrschaft), Kirche (Ideologie) und Handwerk (Arbeit) zu schönen. In den Höhlen lebte man noch nie gesund, und das Geld blieb schon immer in den Palästen und Kirchen oben auf dem Berg hängen. Aber es ist doch ein gerechter kleiner Ausgleich, wenn heute neue Nutzungen entwickelt werden und Touristen für eine zweistündige Führung durch die Altstadt 35 Euro bezahlen. Bleibt nur zu hoffen, dass davon ein bedeutsamer Anteil bei den Führern und den kleinen Angestellten bleibt. Unten ein Blick in die Höhlen - eine unsanierte, deren Herrichtung bevorsteht, und eine als Museum genutzte.


Mittwoch, 20. Juli 2016:

Die Therapie- Katzen von Castiglione

Castiglione delle Stiviere ist ein Städtchen südlich des Garda-Sees. Wir sind da zum Einkaufen gefahren, weil wir mal aus dem Touristen-Gewühle rauswollten. Es war Beginn der Mittagspause, als wir ankamen, und auf dem Markt räumten die Bauern schon ihre Gemüsestände ab. Wir kriegten aber noch, was wir brauchten. Ein paar Ecken weiter stand ein herrschaftlicher Bau von vor hundert Jahren leer. Das Dach stürzte schon ein, aber ansonsten war der geheimnisvolle Ort gut abgeschottet. Ein Schild am Tor wies darauf hin, dass die Forensische Psychiatrie umgezogen sei. Kein Datum, aber zehn  Jahre hing der Zettel da sicher schon. Man hatte für das Krankenhaus also keine neue Verwendung gefunden, im Hinterhof residierten Blutspendedienst, Anonyme Alkoholiker und der Freiwilligendienst San Cristoforo. Auf dem Dach turnten zwei Katzen, die sahen ganz normal aus. Die eine sprang, die andere folgte ihr (unten rechts)  und guckte auf mich herab (Bild oben), wohl wissend, dass ich da nicht folgen konnte.

Durch das Loch, das im Tor für das Vorhängeschloss gebohrt worden war (auf dem  Foto links unten zu sehen) , konnte man den schattigen Innenhof der ehemaligen Psychiatrie  ansatzweise überblicken (Foto rechts, mit Blickbehinderung).  Ansonsten war alles gut verschlossen. Früher kam man nicht raus, heute kam ich nicht rein.


Sonnabend, 16. Juli 2016 - Christo's "floating piers" auf dem Lago d'Iseo

Christo hat schon viel verpackt, gemeinsam mit seiner 2009 verstorbenen Frau Jeanne, zum Beispiel den Berliner Reichstag, die Pariser Pont Neuf oder verschiedene Denkmäler. Er hat die "gates" im New Yorker Central Park aufgebaut und Inseln bei Miami umsäumt. Jetzt hat er auf dem oberitalienischen Lago d'Iseo über drei Kilometer schwimmende Wege verlegt, streng geometrisch und in Form und (sonnenblumen) gelber Farbe ein extremer Kontrast zu dem blau und grün des Wassers, der umgebenden Berge und des Himmels. Ein leicht schwebendes Gefühl, wenn man auf den luftgefüllten Pontons geht, und eine Riesengemeinschaft in der Menge  schaulustiger und aus dem Alltag entführter Menschen, die sich mal zusammenknäuelt, sich aber auch mal entzerrt und verteilt auf den wasserüberquerenden Wegen oder den inselumspannenden Umrandungen. Die Kontraste sind so scharf, dass Fotograf und Fotoapparat leicht überfordert waren, vielleicht war es ein Fehler, den farbverstärkenden Polfilter nicht abzuschrauben, aber es sah auch irgendwie so aus wie auf den Bildern, völlig übertrieben sind sie nicht...


Donnerstag, 14. Juli 2016 - Die Saline Margherita von Savoien

Salz wurde hier eigentlich schon fast immer gewonnen: eine Bucht machte aus Seewasser durch Verdunstung schon vor Christi Geburt Salz, und mit dem handelten die Menschen schon immer bis Venedig und weiter. Später wurden künstliche Becken angelegt, um den Verdunstungsprozess zu fördern, und schon immer nutzten die Flamingos das flache Wasser, um ständig ihre Köpfe auf Nahrungssuche ins Salzwasser zu stecken. Wir pausierten an einem Pumpenhaus, das zur Regulierung des Wasserspiegels wichtige Funktionen ausübt. Das Vogelparadies liegt zwischen Gargano und Bari, mitten in Apulien, an der Adria. Der langbeinige Flieger unten links heißt übrigens "Cavaliere d'Italia".

Einschub: Der nächstgelegene Bahnhof von der Saline aus gesehen ist in Barletta, ungefähr zehn Kilometer von Margherita entfernt. In Barletta startete einer der beiden Züge, die vor wenigen Tagen zwischen Andria und Corato zusammen gestoßen sind. Corato kennen wir nur von der Durchfahrt, als wir ins Landesinnere zu der mystischen achteckigen Burg Castel del Monte gefahren sind. Unser Wohnwagen stand 15 Kilometer weiter in Bisceglie, am Meer, zwei Wochen lang. Die Gegend ist uns ans Herz gewachsen. In Gedanken sind wir oft bei den betroffenen Familien und den Opfern des furchtbaren Unglücks.


Mittwoch, 13. Juli 2016 - Die Grotten des Gargano

Gargano ist der Sporn am italienischen Stiefel. Diese Halbinsel ist inmitten der Küstenebenen ein Mittel-gebirge mit tausend Meter hohen Bergen und viel Wald. Erdgeschichtlich soll es eigentlich eher zum gegenüber, auf der anderen Seite der Adria, liegenden Albanien gehören. Jedenfalls gibt es eine zerklüftete Felsküste, die es hier an der Adria sonst so nicht gibt. Am besten sieht man sie vom Boot aus, und auf dieser Bootstour sind die meisten Bilder hier entstanden. Nur den Sonnenuntergang haben wir vom Strand aus gesehen, praktisch direkt vom Wohnwagen aus.

Dass sich das Gestein Schicht um Schicht aufbaut, kann ich als Laie mir ja gerade noch so vorstellen. Aber was war bloß los, als sich die Mäander auf dem unteren linken Bild gebildet haben? Wer war da nicht so nüchtern, wie es sich bei der Arbeit gehört? Und wer hat das trojanische Pferd aus Kalk ins Meer südlich von Vieste gestellt? Fragen über Fragen.


Dienstag, 12. Juli 2016: In den Gärten der Götter

Neue Reisegedanken anlässlich einer Reise durch das südliche Italien nachzulesen auf 

http://engelmannsnotizen.jimdo.com/italien-2016/

 

Die Grand Tour war ein Bildungselement im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert. Goethe hat sie gemacht, Eichendorff, Rilke und viele andere. Eigentlich führte sie über Florenz und Rom in die neapolitanische Kampania. Sie wurde zu Fuß oder mit der Kutsche unternommen. Heute fährt man mit dem Wohnwagengespann über mautpflichtige Autobahnen, und nicht jeder will nach Pompeji. Aber auch auf den anderen Wegen nach Süden gibt es viel zu lernen, zu erleben und zu bedenken. Insofern ist das hier weniger ein Reisebericht als ein inneres Protokoll in sieben Kapiteln: Von Cinque Terre im Norden in die Abruzzen und den Gargano (der Sporn am italienischen Stiefel) nach Apulien, mit den Trulli und - direkt an der Grenze zur Basilikata - den Sassi von Matera und zurück über den Lago d'Iseo mit Christo's floating piers.


 Montag, 11. Juli 2016 - Italienische Farbenlehre

Ocker, gelb, rosa, hellblau, grün, fast weiß, mittelweiß, ganz weiß...Die Farben sind einzig. Die Kombinationen folgen Regeln, die schwer zu durchschauen sind. Es scheint ein allgemeines Wissen über den Umgang mit Farbe zu geben, das kulturell vererbt wird. Vielerorts hauptsächlich Zurückhaltung: Farben werden nicht betont, sie gehören dazu, sind selbstverständlich, müssen daher oft auch nur angedeutet werden, man weiß ja, was damit gemeint ist. Das Alter muss nicht versteckt werden, ausgebesserte Stellen und abgewaschene Anstriche füllen die Räume, die für Ausgebessertes und Abgewaschenes vorgesehen und reserviert sind, erfüllen damit ihre Aufgabe, nichts weiter. Klar, es gibt auch (vor allem im Norden) Häuser in aufdringlich frischem Lachsrosa, das eher belästigt als erfreut. Es gibt auch überall dieses (oft EU-finanzierte) Sanieren, das nichts weiter ist als optisches Sterilisieren, hinterher ist alles aus einem Guss, und man guckt unwillkürlich, wo der Schalter ist, an dem man den Eintritt zahlt. Wie im Museum. Noch überwiegen Selbstverständlichkeit, Zurückhaltung und Würde des Alterns. Bei freiem Eintritt. Wie schön.

 

Die Kehrseite ist der Vefall, der nicht zu beschönigen ist und einfach daraus resultiert, dass hier keiner mehr wohnen will, es lohnt sich nicht, der Boden zu steinig, die Wirtschaft in der Region zu schwach, überall verfallen Häuser. Eine Zeitlang sieht das sehr malerisch aus, aber irgendwann ist es nur noch ein Haufen alter Bruchsteine mit morschen Pfosten und Brettern, die beim Zusammenfallen zersplittert sind. Efeu und Wein ranken das Ganze freundlich ein, alles wird wieder zu Landschaft, die Menschen wohnen in den Städtchen, sechsstöckige Blocks am Stadtrand, und die sind meistens auch nicht wirklich schön. Aber da wirkt dann auch kein kulturelles Gedächtnis mehr, sondern ökonomische Normierung.


Freitag, 24. Juni 2016 - Giro d'Italia

 

Was, wenn alles schon abgegriffen wäre? Alles ausreichend besungen und bewundert, das Licht (la luce), die Sonne (ob bei Capri oder einfach als O sole mio)? Die Lockerheit, die sich am zeitgenössischsten im Autoverkehr abbildet – dieses lässige Fließen, parken in zweiter Reihe und alle warten, bis sie sich vorbeischlängeln können, das vertrauenspralle Herausrollen aus der engen Gasse auf die Hauptstraße, mitten in den fließenden Verkehr rein, und schon ist man eingereiht? In ganz Bisceglie, dem unprätentiösen kleinen Städtchen bei Bari, tanzen die Autos ein großes Ballett, ohne Anfassen, alles gleitet und kurvt und vermeidet schnelles Beschleunigen – aber auch zu viel Abbremsen. Ach, abgegriffen oder nicht, es kann und muss erneut besungen werden. Azzurro, Bandiera rossa, Cappelli blu, all die Farben und Klänge. Adriano Celentano und Gianna Nanini. Alles höchst einseitig, wer besingt schon die verseuchte Natur um den industriellen Moloch Taranto im südlichen Apulien, oder, landesweit, den Heiligen der Landwirtschaft, Mon Santo? Wer die notorischen Bestechungsskandale in Wirtschaft und Politik? Beim Frühstück buchstabiere ich mir die neueste Enthüllung aus dem "Gazzettino", genau, das ist die Zeitung, die auch Kommissar Brunetti immer liest. Die Muster bleiben unverändert. Man lässt den Dingen ihren Lauf. Und nur so kann das einmalige transparente Altrosa entstehen, wenn Häuser seit achtzig Jahren der Witterung trotzen, dem Regen und der erbarmungslosen Sonne, und der Außenanstrich verbleicht von Rot zu Rosa, wird durchscheinend und lässt die Struktur von Mauerwerk und Putz durchscheinen, changiert an einer Wand von grau-altrosa bis himbeerfarben, und dazu die grünen Fensterläden, die durchaus vor zwanzig, dreißig Jahren mal neu lackiert worden sind.

An diesem Ort werden in den nächsten Wochen mehrere Kapitel italienischer An- und Aussichten erscheinen. Das wird von Cinque Terre im ligurischen Nordwesten bei Genua bis Bari in Apulien oder Matera in der Basilikata reichen. Eine kleine Vorspeise, Antipasti misti, mit dem Gitterfenster an der Kathedrale von Trani (Apulien) oder den Abbruchhäusern im benachbarten Bisceglie, mit den Melonen in der Markthalle (Molfetta, Puglia) und den Sonnenschirmen der Trattoria (Vernazza, Cinque Terre), mit Innenhöfen im Gargano (Monte Sant'Angelo) und der allgegenwärtigen Wäsche auf der Leine (hier mal in der Altstadt von Bari). Dann noch ein Palazzo-Ausschnitt aus Matera mit Balkonschatten und der kleine Zug im Park von Trani.


Mittwoch, 18. Mai 2016:

Eutin 's got the blues

Eutin hat nicht nur die Landesgarten-ausstellung rund ums Schloss, sondern auf dem Marktplatz auch vier Tage lang "Blues Baltica" mit Musikern aus Skandinavien, Deutschland, Canada und den USA (und mit den beiden Bluesmusikern, die es jeweils in Österreich und der Schweiz gibt, und die hatten sich zu einer Alpencombo zusammengetan). Fast zwanzig acts auf der Markplatz-Bühne, und es hat kaum mal geregnet. So unterschiedlich wie die Gruppen waren auch die Bewertungen durch die Zuhörer: Nobby fand Maurice Dukes, den Drummer von Joey Gilmore, am besten (er war zumindest unbestritten am lautesten), Hannah gefielen die eifrigen Jungs um Tito Lausteen besonders, und mich haben die drei Holzfäller aus Ottawa ("Monkey Junk") bewegt, vor allem im Hüftbereich und am Knie, zwei Gitarren und ein Schlagzeug, und der Rhythmusgitarrist hatte auch noch seine deutsche Mundharmonika dabei, auf der er wunderbare Melodien blies. Oder heißt es blues? Wie auch immer. Mundharmonika konnte auch Jason Richie aus den USA ganz außerordentlich gut, aber ansonsten war sein Abklatsch der frühen Doors ("This is the end..." schwebte überall mit) eher diagnostisch interessant, aber hier wird ja kein Gutachten verfasst, sondern das großartige Bluesfest in Eutin besungen. Beziehungsweise bebildert, hier mit dem alten Blues-Heroen Joey Gilmore und seinem archaischen Geschlechterbild aus den amerikanischen Südstaaten der frühen zwanziger Jahre (das man allerdings auf dem Foto nicht so gut erkennen kann), und dem schillernden Jason Richie und seiner akzentuierten Persönlichkeit...

Es gab natürlich beim diesjährigen Bluestfest wie in den vergangenen sechsundzwanzig Jahren, in denen es schon stattgefunden hat, keinen Sieger. Und wenn es einen hätte geben sollen, dann wäre nur eine würdig gewesen, ihn zu küren. Sie steht am Ende der Lindenallee hinter dem Eutiner Schloss, als Endpunkt der Blickachse, und ist die Göttin Flora. Okay, ihr Spezialgebiet ist der Blues nicht, da wäre einer der Musen (vielleicht Polyhymnia oder auch Euterpe) geeigneter. Aber in Eutin steht nun mal Flora. Herzog Peter Friedrich Ludwig hat es so gewollt, und es soll einen freimaurerischen Hintergrund dafür geben. Freimaurerei, das war dieser Theosophen-Blues des achtzehnten, neunzehnten Jahrhunderts. Also das Urteil der Flora hätte mich schon interessiert. Vielleicht wäre mit einem leichten Hauch an Frauensolidarität Big Mama Montse gekürt worden, solo und mit ihrer erdigen Gitarre, yeah man.


Montag, 2. Mai 2016: Hamburger Szenen

Auf dem Spaziergang durch Winterhude und St. Georg gucke ich in das Bildhaueratelier, in Schaufenster und auch mal einfach auf die Erde. Dabei ergibt sich ein Bild, das sicher nicht repräsentativ sein kann für einen derart bunten Stadtteil, aber es ist ein Schritt auf dem Weg zu einer Beschreibung, und auch ein Weg von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt. Der Musikkeller ist umgezogen, die Landesstelle gegen die Suchtgefahren finde ich nicht wieder, und im Kunsthandwerkhaus Koppel 66 gibt es Sonngards Atelier nicht mehr. Dafür gibt es eine Moschee mit zwei Minaretten, eigentlich sind es eher Minirette, da wird kaum ein Muezzin Platz drauf finden. Auf dem Platz im Lohmühlenpark tobt das Leben, Kinder mit und ohne Gehroller, mit und ohne Migrationshintergrund, mit Zukunft und ohne.


Sonnabend, 23. April 2016

Bunte Fahnen sieht man besser

Es erschließt sich nicht immer auf den ersten Blick, dass Engagement und Aktivismus ihre eigene Ästhetik haben. Es wird dann schon mal euphemistisch von der "Schönheit des Kampfes" gesprochen, aber oft ist es doch einfach auch ein bisschen öde. Die Anti-TTIP-Demo gestern in Hannover war ein schönes Beispiel für die Ästhetik des engagierten Frühlings, den neunzigtausend nach Hannover getragen haben. Die Kastanien hatten schon begonnen, ihre Kerzen aufzurichten, und die Büsche und Fahnen blühten. STOP TTIP! Für ein schönes und selbstbestimmtes Leben! Manchmal geht es vielleicht auch ein ganz wenig weniger pathetisch...


Sonnabend, 16. April 2016

Und tschüss!

 

2012 hatte ich geschrieben:

"Die City-Hof-Hochhäuser waren nach dem zweiten Weltkrieg
die ersten neuen Hochbauten der Hansestadt. In direkter Nachbar-schaft zu den Gleisen des Hamburger Hauptbahnhofs prägen sie das Bild, das der Hamburg-Besucher bei der Annäherung an die City erhält. Urspünglich war die schnörkel- lose Außenfassade mit weißen Keramik-Platten ver- kleidet. 1977 wurde dann das depressiv graue Eternit davorgesetzt."

Jetzt hat die Hamburger Bürgerschaft beschlossen: Kommt weg, muss neu.

2012 hatte an der Fensterfassade der Deichtorhallen anlässlich der "Horizon Fields" in kleinen Neonbuchstaben gestanden:

Se la forma scompare la sua radice è eterna (Mario Mertz)

(Wenn die Form verschwindet, wird ihre Herkunft  ewig).

 

Ich persönlich halte den Abriss der vier Hochhäuser für einen städtebaulichen Verlust von erheblicher Größenordnung. Ich weiß, dass nicht mal alle in meinem Freundeskreis das auch so sehen. Diese Ignoranten. Mir werden die vier Klötze fehlen.


Mittwoch, 13. April 2016: Heute kommt die Beute aus der Peute

Spaziergang im Hafengewerbe-viertel der Veddel (vor den Elbbrücken rechts), das letzte Mal war ich dort vor ungefähr sechs Jahren. Damals entstand eines der ersten Spiegelungs-Fotos, das ich immer sehr mochte (hier links). Der Schuppen steht nicht mehr, vieles ist neu oder weg, einige Schumacher-Bauten sind saniert. Hier spiegelte sich 2010 das durchs Oberlicht reinscheinende Sonnenlicht in den Kupferblechen. Heute spiegelt sich das Sonnenlicht nicht, scheint nur von oben rein durch ein schadhaftes Dach, und das ist genauso schön.

 

Peute - das ist Aurubis (oder Norddeutsche Affi, so hieß das früher), das sind die Recycling-Höfe von Dörner und Melosch, Straßen voller Papierfetzen und Plastikschnipseln, Deutsche Asphalt, und Dutzende von meist polnischen LKWs, die auf dem Standstreifen parkieren, alle hundert Meter steht ein Dixi-Klo für die übernachtenden Fahrer. Dazwischen noch eine kleine Werft, aber die Speditionen haben eindeutig gewonnen. Die Hafenstadt wird beliebiger. Dafür gibt es sogar von der Peute aus einen Blick auf die Elbphilarmonie.

Und die Farben des Ölzeitalters, ob Plastikcontainer oder Holzpaletten, alles ist bunt. Auch die riesigen Plastikstrudel im Pazifik sind bunt. Ist das nicht schön? Und wenn die Farbe auch mal abblättert oder verblichen ist, es bleibt doch der gute Wille, der ist sichtbar, und er ist bunt.


Mittwoch, 29. März 2016 - Tabula rasa

Das Haus ist weg. Es stand beim Lokschuppen am Buchholzer Bahnhof, früher übernachteten Eisenbahner dort, Lokführer und so, wenn sie abends nicht mehr nach Hause kamen. Seit Jahrzehnten stand es leer, und vor Jahren war es Treffpunkt der Buchholzer Szene, Sprayer und Antifa und so, und jetzt ist es abgerissen. Zum Glück war da schon früher mal Tag der Offenen Tür, so dass es zumindest ein paar bebilderte Erinnerungen gibt. Direkt neben dem Haus ist übrigens die Drehscheibe, die zum Lokschuppen gehört, und Schuppen und Scheibe stehen unter Denkmalschutz. Deswegen darf der neue Investor, der das Ensemble erworben hat, nicht alles abreißen. Ob dort aber (wie in der Presse gemunkelt wird) ein Lokomotivmuseum entstehen wird, wage ich zu bezweifeln. Eher Lofts oder so, eher eine lukrativere Nutzung als eine öffentliche Widmung. Mal sehen. Was bleibt, sind Erinnerungen an ein paar hervorragende pieces und eines der alten Häuser, die in Buchholz eins nach dem anderen verschwinden (als wenn das Städtchen zu viel davon hätte). Vor dem Lokschuppen sind schon Blumenbeete angelegt. Sieht so aus, als wenn ein Gartenbau-Ausbildungsprojekt tätig geworden wäre, gleich nach der Aufgabe "Wir gestalten ein Schrebergartengelände" (letzte Reihe).

So sah das Haus früher von außen aus, und heute liegen nur noch ein paar Trümmer rum. Wie stand noch auf einem der Graffiti im Haus: "Zeit ist was verhindert dass alles gleichzeitig passiert".


Sonntag, 13. März 2016 - Küstenstipp

Mal wieder Dangast, wie vor einem Jahr, s. BilderBlog 25.1.15, oder vor drei Jahren, 10.2.13. Die Märzsonne lockt die Menschen zum Kurhaus, Rhabarberkuchen essen, Hunde und Kinder toben lassen, mal den Pelz ausführen, ist ja wieder in, zumindest am Mantelkragen. Strandleben am Jadebusen der Natur. Und dann  über den Vorderdeich und den Hinterdeich zurück zum Haus, zum Kaminofen und Rotwein. Dangast hat Kultur. Wir auch. Am nächsten Morgen auflaufendes Wasser am Vareler Hafen, ohne Sonne. Geht doch auch.


Freitag, 12. Februar 2016

Nachtrag Berlin

Nicht nur in Kinderkrankenhäusern und in der Wartheniederung fand ich manch bewahrenswertes Kleinod. Das Gewebegebiet Herzbergerstraße inkl. Kunstprojekte (ehemalige DDR-Ministerratsfahrbereitschaft mit Stasi-Inklusion) und Gewerbe  (bei den Dong Xuan Markthallen mit vietnamesischen, türkischen, indischen Händlern) zeigt, wie man durchhalten kann ohne sich zu verlieren.  

Das ehemalige Funkhaus Berlin (DDR) in der Nalepastraße war ebenso spannend wie verunsichernd: Alles steht unter Denkmalsschutz, ist also irgendwie gesichert (?), aber was macht man nun damit? Die ersten Ansätze zu einer multimedialen Mischnutzung scheinen nicht sehr vielversprechend gewesen zu sein. Also doch Verfall?

Hier oben links sieht man übrigens einen Spreedampfer durch Abdeckfolie, falls da Fragen aufkommen sollten, aus einem der ehemaligen Aufnahmestudios in einer kleinen Funkhaus-Nebenbaracke, jetzt eingestürzt und vollgeregnet. In der Mitte - das war, glaube ich, ein Gerät, mit dem man entweder Alarm auslösen konnte oder wo der Wachdienst regelmäßig Signal geben musste, wenn der Klassenfeind schlief.


Sonnabend, 06. Februar 2016 - Nad Odra

Kurz hinter der Grenze an der Oder, da wo die Warthe in die Oder fließt, liegt Kostrzyn nad Odra. Die Warteniederung bietet zahllosen Gänsen und anderen Vögeln Rast und Nist. Allerdings finden die Vögel Nahrungskonkurrenz in den zalreichen Anglern, die am Schilfufer sitzen und für's Wochenende eine Pfanne frischen Fisch erträumen. Sie haben kaum einen Blick für den grandiosen Bau des Pumpwerks Warniki, dass seit ca. 100 Jahren die Überschwemmungen der Polderflächen jenseits des Damms reduziert und von weitem aussieht wie eine überdimensionale Kapelle. Man sieht es zum Beispiel von einem der zahlreichen Gaspipelinestationen in dem hochempfindlichen Biotop. Man muss auch nicht dran glauben. Es steht einfach da und - ist.


Freitag, 05. Februar 2016

Das Säuglings- und Kinderkrankenhaus steht seit fast zehn Jahren leer. im Netz gibt es Fotos, die von den Glücklichen gemacht wurden, als das Ensemble noch Reste der alten Identität zeigte, kurz nach der Schließung (z.B.: http://opacity.us/gallery186 _contagious_haven.htm. )Heute ist der Gebäude-komplex verwahrlost, die Dächer stürzen an allen Ecken und Enden ein, nur Scherben und Trümmer in den Räumen, und Graffiti. Graffiti ohne Ende, murals und pieces, einige sehr interessante Ideen und Gestaltungen. Ich bin zwei Stunden durch die Gänge gestromert, habe an einigen Treppen gezögert und bin dann nicht höher gestiegen, weil ohne Geländer und freischwebend zu zwei Seiten, das muss ich mir nicht beweisen, zumal hier und da schon ein paar nette Klunker runtergekommen waren. So wird die Fotostrecke über ein ehrenwertes, über hundert Jahre altes Gemäuer zu einer Galerie der Sprayer-Schule im östlichen Berlin.

 

Ein einzigartiges Kunstwerk ist das Haus vorn an der Straße, wohl mal die Verwaltung gewesen. Ein Künstler (er zeichnet mit "original", aber unter dem Namen finde ich im Netz nichts) hat sechs Räume in einem jeweils einheitlichen Muster "tapeziert", in einem sind Blüten, in einem Karotten usw., und der ganze Raum ist dann unisono in diesem Muster gehalten. Als ich reinkam, dachte ich zuerst: prima, das war ja mal ein freundliches Kinderkrankenhaus, mit Wölkchen und Herzen über die ganzen Wände, aber dann stellte sich doch heraus: das war nicht die ursprüngliche Deko, das war die Form, in der es sich "original" vorstellte. Er hat das hervorragend gemacht, und die Räume in diesem Haus sind das bei weitem künstlerischste, was auf dem Gelände zu sehen ist. Dokumenta-Potenzial! Meine Fotos sind ein müder Abklatsch, aber ich habe ja nichts Besseres:

Daneben gibt es auch einzelne Raumsituationen, die durch Reste der Einbauten (Frühchenboxen, Isolierzimmer, Stallgebäude) oder mit den Fenstern und Türen (so noch vorhanden) auf sich aufmerksam machen.

Und nicht zuletzt die Graffiti, die Gemälde von Menschen oder Schriften oder sonstwelchen Formen, die entweder farblich gut gelungen waren oder an einer günstigen Stelle ins Auge sprangen oder durch ihre Ausdrucksstärke beeindruckten.


Sonnabend, 09. Januar 2016

Schatzkarten im Buchenwald

Winterspaziergang im letzten Schnee, der gleichzeitig so ziemlich der erste war in diesem Winter. Im Buchenwald bei Schätzendorf, wo wir früher gern Radtouren gemacht haben mit dem kleinen Kind im Korb an der Lenkstange, das gab es damals noch, nicht diese kommunikationstötenden bindungs-störenden Sitze auf dem Gepäckträger, hinterrücks. Im Buchenwald waren ein paar Vieljahrzehnte alte Riesen gefällt und verrieten mit ihren Nasskernen die letzten Schätze der Südsee. Hier auf dem oberen Bild sieht man die Bucht, in die man von Norden einfährt, um dann im Inselinneren auf den Vulkan zu treffen, in dessen Krater der unschmelzbare Schatz hinuntergelassen worden war und nun der mutigen Helden harrt, die dort ein Vermögen nach altem Mogul-Maßstab zu heben bereit sind. Unten  sieht man das Nordkap noch einmal etwas größer, und daneben die kleine Vulkaninsel inmitten der Riffs, jäh aufsteigend aus tiefblauem Wasser, und irgendwo da oben muss der Eingang sein zur Höhle, mittlerweile längst verschüttet, und meist schläft der Vulkan. So sind alle Küstenlinien der kleinsten und kleineren Inseln aufgezeichnet und liegen nun hier im Buchenwald bei Schätzendorf (der Name ist ja wortstammmäßig nicht so weit entfernt), mit ihrern Schätzen und Reichtümern, Geheimnissen und magischen Orten.

Der Rainfarn am Wegesrand und die Winteräpfel an den Bäumen der Obstallee sind auch so übersehene Reichtümer, die keiner haben will. Und so geht dieser Reichtum wieder zurück in den Kreislauf.

 

 

 


Sonnabend, 02. Januar 2016

Schöne Grüße, Ihre  TrÜbPlKdtr

Vor über dreißig Jahren wurde wieder mal vertrieben, gleich bei uns um die Ecke. Die Haidjer in dem kleinen Dorf mussten dem Militär weichen, weil das da schießen üben wollte. Genau wird angegeben, wann man wenigstens noch spazieren gehen darf, ab übermorgen wird wieder geballert. Dabei hörte sich das am Silvesterabend so an, als wenn es endlich mal weniger würde mit dem Geballere, nur die Raketen wurden bunter und überraschten mit einer dritten Stufe, das sah schön aus. Heute war nun noch Feuerpause im Wald und auf der Heide. Da stand das Schulgebäude, etwas außerhalb die alte Försterei in der architektonischen Sparsamkeit der dreißiger Jahre, manch einsamer Posten und eine Garage zum Feiern. Unentschlossenheit: Soll da DENISE oder ELISE an der Wand stehen? Sprayerkämpfe. Das Problem ist und bleibt das Weichziel Mensch, sagt Oberst von Sanftleben alias Georg Schramm, Kabarettist und Psychologe. Guten Rutsch wünscht die TrÜbPlKdtr.

Schön waren auch die vielfältigen kleinen Accessoires,  die von dem Malertrupp der örtlichen Kommandantur in den Farben schwarz-rot-gold gestaltet worden waren. Damit man auch merkt, wo man ist. Wo die Lüneburger Heide ist, da ist auch Deutschland.

Von der alten Försterei aus hatte man einen wunderschönen Ausblick in die Landschaft über Wiesen und Wälder. Tiere gab's keine, die hatten vielleicht auch frei, so wie die Truppen.