2. bis 5. Dezember 2013

Harzreise reloaded


Drei Tage im Harz mit Ausgangspunkt Ilsenburg, da liegt dieser Anklang nahe: die "Harzreise" war ein Reisefragment von Heinrich Heine, und ja, er war auch in Ilsenburg gewesen. Ich bin dann noch on Osterwieck, in Blankenburg, in Stolberg gewesen, lauter bezaubernde Städte und Dörfer mit viel Fachwerk, mit gepflegten und verfallenden Häusern, mit Sanierungspro-grammen und Privatinitiative, aber immer sehens- und meist liebenswert. 

 

Oben sieht man den Ilsenstein, an dessen "Gip-fel"- Kreuz sich schon Heine festgehalten hat (schreibt er), es geht da mal locker hundert-fünfzig Meter runter, sowohl vorn als auch links und rechts.Die Stelle hat der Fürst von Stolberg-Wernigerode für sein Gedenkkreuz gewählt, mit dem er den Sieg über Napoleon 1813/14 rühmt.

Das mittlere Haus steht leer, nicht immer kann man das schon gleich erkennen, aber die schmucken Häuschen von Stolberg (oben links) setzen sich denn dagegen doch ziemlich ab. Über dem Ort steht hier das obligatorische Schloss, Erholungsheim des FDGB bis 1989, dann ein fehlgeschlagenes Hotel-Investitionsprojekt und heute in der Hand des öffentlichen Denkmalsschutzes. Und deshalb auch künftig hoffentlich für die Öffentlichkeit erreichbar. Im Schlosshof noch eine Info-Tafel, deren übriggeblieben Fetzchen die DDR-Legende verraten (unten).

Damit keiner mich falsch versteht: Ich behaupte mit meinen Bildern nicht, der ganze Ostharz sei am Zerbröckeln, bestünde sozusagen nur aus kleinen Brocken. Vieles ist erhalten oder erneuert. Es gibt wohlhabendere Orte und einige, wo nicht so viel Geld sitzt. Und vor allem: es gibt einen ungeheuren Schatz an Historie und Geschichten (nicht nur die Legenden von den Wasserfrauen und Kobolden wie überall im Harz). Da war eine für damalige Zeiten hochtechnisierte und später in Anfängen industrialisierte Welt, hier steht die Wiege des Bergbaus in Deutschland, erst später löste Steinkohle die Holzkohle als Energiequelle (auch für Industrietriebe) ab und das Ruhrgebiet boomte, der Harz träumte wieder mehr, mehr grünende Tanne als wachsendes Erz. Wenn ich diesen Landstrichen eines von Herzen wünsche: dass sie sich ihren Stolz auf die eigene Geschichte bewahren können. Ohne sich davon die Neugier auf die Zukunft verderben zu lassen.

Wer ein bissschen mehr von meinen Streifzügen durch den Nordosten des Harzes lesen möchte:

http://engelmannsnotizen.jimdofree.com/mehr-reisen/


Sonntag, 27. Oktober 2013

Im Torf

 

In den letzten Wochen haben wir den Torfabbau im Hatzter Moor kennen gelernt. Eine rumpelnde Torfbahn fährt vom Feld, wo der Torf gestochen wird, zur Endstation an der Straße nach Hatzte. Dort liegt eine kleine Torfhalde, die dann mit LKWs weggebacht wird, in die Blümendünger-Fabrik. Torffabbau ist irgendwie retro: wir brauchen die Hilfe des Moors beio der Regulation des oberflächennahen Grundwasserhaushalts eigentlich dringender als die saure Pflanzen-Pappe, von deren Verwendung im Garten sowieso immer mehr abgeraten wird. Trotzdem hat der Torfstich seinen nostalgischern Charme, und die Lok sieht schnuckelig aus, auch wenn der daneben stehen de Ölkanister mitten im Moor eher Vorbehalte auslöst.

Das Fröschlein war extrem überrascht, aber auch froh, weil ich kein Storch war. Die erneuerbaren Energien sind zwar nicht ganz so malerisch wie der Torf, aber dafür braucht es keine zehntausend Jahre, bis wieder eine Schicht Wind nachgewachsen ist. Übrigens ist es Luftlinie ungefähr drei- bis vierhundert Meter weiter, wo die kanadische Firma PRD eine alte Ölbohrstelle wieder aktivieren und für einige Jahrzehnte fördern will. Der Torfabstich wird wohl demnächst eingestellt. Die Ölschmierfinken fangen  gerade erst so richtig an.

(Nachtrag - Blick zurück aus dem Jahr 2020: Die Firma PRD ist seit Jahren aus Deutschland abgezogen, ohne Öl und ohne Gas. Die Mitbewerber Kimmeridge und RDG sind auch weg. DEA reduziert seine Tätigkeit. Es geht voran - zurück in die Zukunft!)


Mittwoch, 2. Oktober 2013

Kraniche über dem Moor

 


Am späten Nachmittag entdecke ich die erste Kranich-gruppe, die auf der Wiese hinter einem noch nicht abgeernteten Maisfeld pau-siert. Ich nähere mich gegen den Wind und habe die Sonne photografenfreund-lich im Rücken, aber letztlich kann ich mich doch nicht ganz im Schutz des Maisfeldes anschleichen und sie entdecken mich vorschnell, ich bin noch gar nicht richtig knipsbereit. Also wieder nur ein Kranich-schwarm beim Auffliegen.

Dann geht langsam die Sonne über dem Waldrand unter, unspektakulär, nicht so rosig und glühend wie in den letzten Tagen immer wieder. Ich sitze auf einem Hochsitz, der hier wohl kaum für Jäger gedacht sein kann, sondern eher für birdwatcher. Aber es ist nichts zu beobachten, nur eine Gans schwimmt im Moorsee, und ein Schwan kam eben da hinten angesegelt.

Es ist total still (nur die Autobahn rauscht im Hintergrund, und im ganz tiefen Frequenzbereich rauscht das Windrad hinter den Bäumen). Kein Mensch weit und breit. Und kein Vogel, zumindest nicht mehr als mal eine Schwalbe und zwei, drei Gänse.

 

Als ich wieder zurückgehe, sind plötzlich die Kraniche da. Die Sonne ist untergegangen, der Himmel in hellbraunen und violetten Pastelltönen, und die Kraniche gucken sich von oben alles an, die Moorseen, ein idyllischer Schlafplatz, aber nicht so schön wie im Tister Bauernmoor, entscheiden sie sich und fliegen weiter.


Donnerstag, 26. September 2013 

Etschtaler Sommer (Zweiter Teil): Vögel, Vögel, Vögel. Und ein paar Schnecken.

 

Eine Woche später sind wir raus aus den Bergen und im Po-Delta, das ist nun wirklich flach. Und ein paar Kilometer weiter ist die Mündung der Etsch, die uns unauffällig gefolgt ist (oder wir ihr). Das Delta ist durchzogen von Kanälen und Lagunen, wir fahren auf kleinen Straßen mit den Rädern rum, an endlosen Brombeerhecken lang, und lernen das Verhalten der Reiher einschätzen. Fünfzig oder siebzig Meter entfernt: der fliegt auf, wenn wir näher kommen. Dann kriegt man ihn vielleicht im Flug. Hinter der ersten Landzunge: der bleibt stehen, kümmert sich nicht um uns. Irgendwann werden sogar die weißen Seidenreiher langweilig. Dann sind da plötzlich die wilden Flamingos. So etwas Elegantes - unfassbar. Dabei stelzen sie den ganzen Tag mit dem Kopf im Wasser durch die Saline, saugen Krebse und sehen aus wie Kühe der Lagune. Nur etwas schlanker. Aber wenn sie den Kopf dann heben - oh Mann.

Die Vögel sind natürlich gern ein bisschen für sich. Und da fängt man an zu verstehen, wie man zu der verrückten Idee kommt, ein zweihunderter Tele sei nun wirklich nicht genug auf dieser Welt. Insofern kann einen ein solcher Vogelurlaub teuer zu stehen kommen, wenn man nicht aufpasst.


Donnerstag, 26. September 2013

Italien 13 - Etschtaler Sommer (Erster Teil)

 

 

Italien fängt an mit Südtirol, was eigentlich nicht so wirklich Italien ist. Aber von unserem Zeltplatz aus hören wir von ganz nahe das Rauschen der Adige (oder Etsch, wie es schon die unselige erste Strophe sagt). Alto Adige, das klingt doch schon nach Aperol Spritz und erstklassigem Espresso und nach dem Ursprung der italienischen Eismacherkunst, nach Pellegrini und Talamini (so hießen die Italiener im Celle der fünfziger Jahre). Wir zelten nahe Meran, dem jugendstilig-aufgehübschten Kurort mit der lustigen Passer, die als eifriges Berglüsschen den Kurpark aufbrezelt, Natur reinbringt in die polierte Frischluft unterhalb der aufdringlichen Berge. Abends im Biergarten der Forst-Brauerei: mal eine Szene wie ein Vinschgauer Abendmahl, mal die Blaskapelle aus dem Nachbarort. Nicht alles wird durch Musik erst schön. Meraner Höhenweg, Apfelplantagen ohne Ende, eine Ahnung von Round Up in der Luft, dem allgegenwärtigen Spritzmittel, und hier und da ein leerstehendes Haus. Der Polizist in Meran besinnt sich gar nicht lange und hilft uns, das mit einem schlüsselverwaisten Schloss angekettete Fahrrad durch die Feuerwehr wieder nutzbar zu machen (ein Riesenseitenschneider tut nachhaltige Dienste) - nett. Leider, klagt er, gibt es eine im Deutschen übliche Redewendung im italienischen nicht: "Die Polizei, Dein Freund und Helfer". ielleicht steckt doch eine tiefere und oft unerkannte Weisheit in der italienischen Sprache und ihren Redewendungen (oder ihrem Schweigen).

Die moderne Aussichtsplattform in den Trautmannsdorfer Gärten bei Meran ist typisch modernistisch - um nicht von der antiken Macht der Alpen erdrückt zu werden, setzt der Tiroler seinen Trotz dagegen: wir können auch modisch!  Aber eigentlich sitzt innen drin der Tiroler nioch immer vor der Hütte und schaut ins Tal, wenn die Berge schon ihre tiefen Schatten im Abendsonnenschein werfen. Kann man nichts machen. Gegen diese Berge kommt keiner an.


Donnerstag,  8. August 2013

 

Das Haus am Wald

 

 

Am Staersbach bei Hollenstedt stehen ein paar Wochenendhäuschen, am Hang über dem Bachlauf mit seinen Fischteichen und Brennesselwiesen. Diese Veranda mit Unterkellerung gehört zum Schönsten, was ich seit langem gesehen habe in der Sparte "Schrebergarten und Artverwandtes". Rundherum Fenster, schwer spinnenverwebt, darunter ein Verlies mit Luke, durch das man ins Dunkel fotografiert ohne zu sehen, was man da knipst.


Sonnabend, 6. Juli 2013

Alte Fabrikgebäude oder auch andere leerstehende Häuser haben meist eines gemeinsam: die Scheiben sind kaputt, zersplittert, gesprungen. Scherben hängen noch im Rahmen, spitze Formen, Landkarten der Zerstörung. Manchmal ist noch etwas dahinter, wie diese grüne Metallkiste in der ehemaligen Produktionshalle im Städtchen Klötze (Altmark). Manchmal ist dahinter nur Chaos und alles kaputt, wie in der Plattenbau-Schule in Magdeburg, direkt neben dem ehemaligen SKET-Gelände. Aber immer gibt es eine Sicherheit: diese Scheibe, diese zackige Bruchkante, diese Form gibt es nur einmal.

Untere Reihe: Sojus-Kino in Berlin Marzahn, alter Rundlokschuppen in Buchholz (einzige Antiquität aus der Entstehungszeit unseres Städtchens), Lokschuppen beim Magdeburger Hauptbahnhof.


Sonntag, 16. Juni 2013

Modernste Technik auf dem Lande

In der Gegend von Söhlingen (Kreis Rotenburg/Wümme) wird seit ca. zwanzig Jahren Gas gefördert. Eine indyllische bäuerlich geprägte und sattgrüne Landschaft mit alten Bäumen, Wiesen, Windrädern. Und alle paar tausend Meter ein fußballfeldgroßes Areal, asphaltiert, eingezäunt, mit drei Reihen Stacheldraht obendrauf: ein Bohrplatz. Rohrleitungen in allen Formaten, das Gas geht durch dick und dünn. Unterirdische Pipelines verbinden die Plätze und die Betriebsstätte Söhlingen, wo Exxon Mobile das Gas reinigt, Lagerstättenwasser lagert und eine kleine dörfliche Raffinerie betreibt. Es sieht alles ruhig aus, idyllisch, unverdächtig. Gelassden brummen irgendwelche Turbinen, tendenziell übertönt von dem nahebei stehenden, riesigen Windrad. Ein Bohrplatz ist umkränzt von einem Biotop aus Feuchtwiese, Baumanpflanzungen, alles eingezäunt, hier wird aktiver Naturschutz betrieben. Die Rohre gehen bis in eine Tiefe von vier-, fünftausend Meter. Da unten lösen sich Quecksilber, Arsen, BTEX-Gase und Salze und werden mit dem feuchten Gas nach oben geholt. Das sieht man alles gar nicht. Manchmal riecht man ein wenig, aber die Gülle von nebenan überdeckt vieles. Irgendwann rumpelt die Erde wieder, wie schon Ende letzten Jahres, und irgendwann finden die in die Erde verpressten Lagerstättenwässer Wegsamkeiten in die grundwasserführenden Schichten, und irgendwann dann auch ins Trinkwasser. Prost Exxon.


Sonntag, .2 Juni 2013

Altlast und Neuland

In der Nähe von Buchholz sind auf offiziellen Karten ein paar Altlasten verzeichnet, Öle und Bauschutt, Hausmüll und Gartenabfälle sollen da liegen. Ich fahre mit dem Fahrrad los, um mir einige dieser Stellen mal vor Ort anzusehen. Das ist nicht einfach, oder besser gesagt: es gelingt mir nicht. Ich entdecke idyllische Flecken, Wiesen mit Brennesselparadiesen und Wälder von Pflanzen, die ich für wilden Rhabarber halte (was es aber wohl doch nicht ist, wer weiß es besser?). Neben dem Pseudo-Rhabarber beginnt der Golf-Platz Am Hockenberg (Seevetal). Hier die strotzende Wildnis - da der kastrierte Rasen. Was wohl schöner ist. Ein wunderschöner Spaziergang mit Wildniserkundung, vielleicht lauert hier wirklich was im Untergrund, oben sieht es schön aus. Der Sommerhimmel breitet sich aus, und die Dachgaube der Kleckener Mühle kontrastiert aufs Härteste. Auch schön.


Kulturelle Landpartie 2013

Wendland-Süd

In diesem Jahr starten wir von Bergen an der Dumme aus unsere Erkundung der Kunst-Ställe, Schmuck-Scheunen und Skulpturen-Wälder. Bei Oldendorf geht es los, dann weiter über Bülitz und Lübeln. Das Wetter war im Vergleich prima: es hat immer wieder halbe Tage lang nicht geregnet. Kein Schnee, kein Hagel. Was will man mehr. Insbesondere Bülitz Nr. 31 hat uns gut gefallen. Wir kannten es von früher, als wir vor fünfzehn Jahren mal auf der Wiese hinter dem Hof zelten konnten. Damals war auch schon Sonntagabend Abby Wallenstein da, in diesem jahr auch wieder, aber jetzt auf einer richtigen überdachten Bühne, nicht mehr auf einem Traktoranhänger der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr wie damals. Überhaupt hat sich viel getan, nicht nur in Bülitz, und auch der Kommerz ist angekommen im Wendland (zumindest hier und da). 24 Euro für die 17 Hippies am Abend sind schon Preise wie im Erfurter Gewerkschaftshaus, dafür war die Akkustik nicht wirklich gut...


Sonnabend, 4. Mai 2013

Ölprinzen und Hühnerkönige

 

 

Seit über hundert Jahren wird in der Heide bei Celle Erdöl gefördert. Ich kenne noch die Pumpen, die überall mitten auf den Wiesen standen, notdürftig eingezäunt, und die eine Wolke von Petroleum-Geruch umwehte. Sie stampften Tag und Nacht. Manchmal wagten wir, auf einer der mit Öl-Wasser-Gemisch gefüllten Loren eine abschüssige Strecke runter zu rollen, wobei man sich die Klamotten ruinierte und einige Gliedmaßen riskierte (ist zum Glück nie was passiert).  In Wietze im Erdölmuseum sieht man ein paar Pumpen, Bohrtürme und Maschinen. Man sieht mehr abblätternden Lack als Ölreste (vielleicht soll die Verbindung sein: ist ja auch Ölfarbe...)

Zwei Kilometer weiter stapfe ich den Ölberg hoch (es gibt davon mehrere: Jerusalem, Siebengebirge, Wietze...). 57 Meter hoch ist er und besteht aus gewaschenem Ölsand. Dem mir aus der Jugend vertrauten Petroleumgeruch nach zu urteilen, war die Sandwäsche nicht wirklich porentief rein. Unten am Ölberg deuten metertiefe Furchen an, dass bei Regen hier Sturzbäche runterrauschen. Unten ist ein Teich, voller Schilf, mit glitzernder Oberfläche - nicht wirklich ölig, aber trinken würde ich das auch nicht. Das Erdölmuseum ist stolz auf seine Gönner: Preussag, DEA (heute RWE), Wintershall. Heute ist ein anderer wichtiger: Rothkötters Schlachthof am Fuß des Ölbergs lässt täglich vierhunderttausend Hühner rankarren und dann tot wieder abholen. Der Gemeinderat dankt es dem Hühnerbaron.

Bleibt nur zu hoffen, dass der Schlachthof möglichst bald zu einem Schlachthofmuseum wird. Dann versinkt Wietze wieder in seinen Dornröschenschlaf, so wie Altensalzkoth einige Kilometer weiter, wo Adolf Eichmann Hühner züchtete und so vorsichtig war, keinen aufzuwecken. Die ganze Südheide ein Rosenhag. That's where I come from.


Montag, 1.4.2013

Osterspaziergang an der Moorburger Schanze

Zwischen Moorburg und der alten Hubbrücke bei Kattwyk steht im Hamburger Hafen fast fertig das neue Kohlekraftwerk, das Vattenfall dort baut. Wer Gigantomanie sehen möchte, wird dort fündig. Neben dem riesigen Betriebsgebäudekasten stehen drei Kohlekreislager, rund und mit gewölbtem Dach, Durchmesser so fünfzig Meter oder so, dreißig Meter hoch, der Petersdom lässt grüßen. Der Hybridkühlturm zeigt noch sein Innenleben - dutzende riesiger Ventilatoren werden für Durchzug sorgen. Dr Hybrifkühlturm ist wichtig geworden, weil Vattenfall letztinstanzlich die Kühlung mit Elbwasser untersagt wurde. Die Kohleförderbänder schwingen sich über das Geländer und erinnern an eine Industrie-Achterbahn. Und daneben liegt ein kleines Hafenbecken mit einer muckeligen Schrott-Werft, zwei rostige Kähne sind abgesoffen, und auf der anderen Seite der Süderelbe die Skyline der Shell-Raffinerie. Früher war Hafen romantischer, aber wen interessiert das schon.

Nicht weit weg war die Kokerei Kattwyk, in der ich vier Wochen einen Schichtdurchlauf mitgemacht (1974) und mit Arbeitern über ihre Zeitbudgets gesprochen habe, damals im Studium, und meine Diplomarbeit darüber geschrieben habe. Einige Jahre später wurde die komplette Kokerei abgeschraubt und bis auf die letzte Schraube nach China exportiert. Das Gelände war plötzlich leer und platt, und seit cirka dreißig Jahren dient die Halbinsel zwischen Rethe und Süderelbe als Parkplatz für Autos, die auf Roll-on/Roll-off-Schiffe verladen und nach Übersee gebracht werden. Kommt auch keine rechte Romantik auf. Nur dieses kleine Hafenbecken, neben Vattenfall, das hat was.

Und die Kohleachterbahn macht Lust darauf, da mal mitzufahren - allein der Zugang ist verrammelt, Nato-Draht gegen die Vattenfall-Gegner und Achterbahnfans.


Donnerstag, 14. März 2013

Der Winter ist noch einmal um die Ecke gebogen und hat alles weiß verpackt. Der Hof Wörme hat trotzdem seine Hofführung nicht verschoben, die Sonne scheint über dem Schneefeld, und die Hühnerställe sind ausreichend temperiert: 1200 Hühner mit 40 Grad Körpertemperatur halten die Wasserleitung frei. Denn wenn es kein Wasser gibt, ist es doof: die Hühner kommen in die Mauser, legen keine Eier mehr, und der Bauer guckt in die Röhre. Aber hier geht es denn Hühnern vergleichsweise gut, sie scharren und gackern und legen Eier und tun somit alles, was ein Hybridhuhn so vom Leben erwartet. Nur Schnee, den mögen sie nicht, und deshalb sind sie etwas beengt in diesen Tagen


Freitag, 22. Februar 2013

Beseelte Puppen

 

Das kleine Puppentheater auf dem biologisch-dynamischen Hermannshof in Wümme ist von uns zuhause wenig mehr als zwanzig Kilometer entfernt, immer Richtung Moor. Auf der Bühne, die dieses Mal ein ovaler Thresen ist, auf der die dramaturgisch wichtige Eisenbahn im Kreis dampft (später sagte Lenin: Fortschritt ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung, da war dann viel von dem Charme weg) spielt das das Hermannshoftheater  „Anna Karenina“ von Leo Tolstoi. Der Zauber des Puppentheaters: eine Szene von wenigen Sekunden transportiert einen derartigen Dschungel vonm Gefühlen, das Tolstoi mindestens dreißig Seiten braucht, um sie einigermaßen zu beschreiben (was er aber im Übrigen auch ziemlich toll hinkriegt). Aber so braucht er für den Roman 1200 Seiten, und das Hermannshoftheater knappe 75 Minuten.

Szene: Kitty sieht auf der Eisbahn Anna Karenina und Kittys Schwarm Wronski in großer Harmonie laufen und sprühen, wendet sich ab und schluchzt. Wronski und Karenina stehen auf einer kleinen sich drehenden Holzscheibe und kreisen umeinander, Poesie und Tragik der Szene teilen sich schmerzhaft mit. Szene aus.

Stiwa (Annas Bruder) speist mit Lewin (den Kitty zunächst verschmäht, wg. Wronski, s.o.), dabei steckt die Puppenspielerin immer wieder eine Weintraube von der Etagere in den Mund und hat so den typischen matschigen Stimmklang des sein Essen genießenden Vielredners. Szene aus. Die Trillerpfeife, die den Zug loslässt, und Wronskis Revolver wecken jeden Zuschauer auf, und das Pferderennen mit Wronskis Unfall ist ein Hauptspaß (kann man hier gar nicht beschreiben, aber es ist oberskurril!). Die Liebe und das verkorkste Geschlechterverhältnis, die Religion und der Bauernstand (schließlich sind wir auf dem Hermannshof, und die Puppenspielern bewirtschaftet tagsüber den Betrieb mit Kühen und Ackerbau usw.), alles kommt vor und wird dicht an Tolstois Text paraphrasiert. Als Lewin und Kitty doch noch zusammen kommen, sagt der Gutsherr zu seiner Angebeteten, sie sei seine Sonne. Und wenn sie abends untergegangen sei, wolle er nachts der Mond sein und ihr Licht spiegeln… ist das nicht schön?!

http://www.hermannshoftheater.de/

P.S. der Fotograf ist echt nicht zu beneiden bei der Berichterstattung. Die Scheinwerfer haben allesamt getöntes bis farbiges  Licht. Die Fotos sind völlig koloriert, da kommt keine Bearbeitungssoftware gegen an (jedenfalls keine, die ich beherrsche). Es ist wie es ist.


Sonnabend, 2. Februar 2013

Die Insel der Fahrräder

Eigentlich stimmt das nicht ganz. Sri Lanka ist die Insel der Tuktuks, und dann ist es auch die Insel der Fahrräder. Tuktuks sind die dreirädrigen überdachten Moped-Taxis, die früher aus Italien kamen von Piaggio und heute aus China und Indien. Die Fahrräder kommen vielfach aus früheren Zeiten. Besonders gern stehen die Fahr-räder an einer Ladenfront. Fahrrad-werrkstätten sehen nach Flohmarkt aus und nach hoher Improvi-sationskunst.


Donnerstag, 31. Januar 2013

Der Buddhismus des "kleinen Fahrzeugs" in den südlichen Staaten Asiens (Sri Lanka, Thailand, Myanmar) kennt keine Gottheiten. Es gibt nur Siddharta Gautama, den Buddha, der nach jahrzehntelanger Askese und Meditation ins Nirvana und damit die Erleuchtung ging. Ihm strebe man nach. Die vier Weisheiten gruppieren sich um das Leiden, das dem Leben notwendig zugehört, und dem man durch die Elemente des achtfachen Pfades entgegensetzt, was letztlich in der Erleuchtung mündet: Rechte Erkenntnis, rechter Entschluss, rechte Rede und Handlung, rechte Lebensweise sowie Übung, Achtsamkeit und Versenkung als meditative Kategorien. Klingt alles nicht schlecht, ist sowohl Absage an Genusssucht und reinen Hedonismus als auch an Selbstquälerei. Vor Buddha haben das schon tausende geschafft und viele nach ihm, aber es werden weniger, erzählte unser Reiseleiter. In den letzten hundert Jahren gab es kaum noch Erleuchtete.

Der obere Buddhakopf ist zu sehen in Polonnaruwa, das um das Jahr 1000 zur zweiten Hauptstadt nach Anurhadpura geworden war. Heute findet man hier Reste der riesigen Tempelstadt, die sich auf mehreren Quadratkilometern erstrecken. Die vier großen aus dem Granit herausgehauenen Buddhastatuen (kleines Bild Mitte) sind seit 1982 Weltkulturerbe.

Die größte Buddhastatue, behauptet ein Schild in Dambulla (kl. Bild links und Mitte) beim Felsentempel, sie ist 30 m hoch. Aber in Beruwela gibt es im Kande Vihara-Tempel seit einigen Jahren einen sitzenden Buddha, der 56 m groß ist. Der in Dambulla ist also nur der weltgrößte mit der Haltung des Lehrenden (man erkennt diese Haltung an der Handstellung), der in Beruwela richtet die Hand zum Boden (nimmt die Kraft der Erde auf, um den Verführungsversuchen böser Geister zu widerstehen).

 

Untern sind ein paar kleine Buddhas zu sehen, und einige Götter aus hinduistischen Tempeln auf Sri Lanka.Das Bild unten links stammt aus dem Kataragama-Tempel in Kandy, der sowohl Altäre für hinduistische Götter hat als auch solche für Buddha. Hier findet eine überraschende Vermischung statt, alle auf Sri Lanka vertretenen Religionsgrupen finden an Kataragama etwas anzubeten.


Mittwoch, 23. Januar 2013

Zwei Wochen Sri Lanka liegen hinter uns. Gestern sind wir innerhalb von gut 24 Stunden aus dem Beach-Resort über die Flughäfen von Colombo, Dubai und Hamburg nach Hause gebeamt worden. Wann unsere Seelen hinterher kommen, steht noch nicht fest. Ein paar Fotos von diesem Blitz-Ttrip in eine andere Welt oder zu uns selbst oder irgendwo dazwischen kommen hier im Blog 2013 in der nächsten Zeit zur Aufführung.

Die Farben des Sonnenauf- bzw. untergangs sind die Farben der Mönche. Kleine Jungen werden in die Gemeinschaft aufgenommen (wir erlebten es in der alten Hauptstadt Anuradhapura), große machen kleine Wäsche (oben links), und die Buddha-Statue hält eine orangene Lotos-Blüte aus Stoff im Schoß. Orange ist die Farbe höchster Erleuchtung, der normale Durchschnittsbuddhist trägt weiß.


Neujahr 2013

 

Die alte Mühle in Seppensen steht seit Jahrzehnten leer. Dorathea Müller hat sie 1864 erbaut, Viel mehr weiß heute keiner, das Gebäude rottet und dräut, und keiner kümmert sich drum. Krabat könnte drin wohnen, oder der kleine Wassermann, und keinen schert es. Als die Mühle gebaut wurde, gab es den Ort Holm-Seppensen noch gar nicht - der entstand künstlich und als fauler Kompromiss, weil die Flecken Holm und Seppensen sich nicht einigen konnten, wer den Bahnhof an der neuen Heidebahn kriegt, und dann baute man ihn mitten zwischen Holm und Seppensen und dann kamen Edeka und Apotheke und Tankstelle und Café Kühn und Penny rund um den Bahnhof  dazu und ergaben den heutigen Ort. Die Mühle liegt abseits, nur die Spaziergänger mit den Hunden und die Leute aus der Gaststätte am See laufen hier rum. Und abends oder nachts eben Krabat und der kleine Wassermann.