Was 2021 bisher geschah:

 

5.1.2021: Im Buchenwald (Bispingen, Heidekreis)

14.1.2021: Ohne-Sonnen-Blumen (Buchholz)

28.1.2021: Besenhorster Sandberge: Naturschutzgraffiti (Geesthacht)

10.2.2021: Zunderschwamm und Goldgelber Zitterling (Stuvenwald bei Buchholz)

2.3.2021: Estetal (Kreis Harburg)

23.3.21: Ganz große Oper (Schilleroper, Hamburg)

26.3.21: Eisenbahnstadt  (Buchholz)

24.4.21: Raiffeisenbrand (Buchholz)

4.5.21: Fremdling im eigenen Haus? (Buchholz und umzu)

4.5.21: Bauernland (Buchholz und umzu)

12.5.21: Bewölkt am Kiekeberg (Landkreis Harburg)

1.6.21: Im Wartestand (Häuser in der Nordheide)

2.7.21: Hohenlychen (Brandenburg)

8.7.21: Der alte Krautrocker und das Erfurter Kulturquartier (Erfurt)

14.7.21: Bauernhof 2.0 (Langenrehm, Landkreis Harburg)

18.8.21: Urban Design und Stadtmöblierung: Die Sperrmüllgalerie (Buchholz)

29.8.21: Der Extrembotaniker und die Buchholzer Diversität (Buchholz)

1.9.21: Buchholz 2025 revisited (Buchholz)

18.9.21: Ein Vorhang aus Spinnweben (Lost place)

19.9.21: Salz und Pfeffer (Obercunnersdorf, Oberlausitz)

28.9.21: Art and nature in Buchholz (Buchholz)

4.9.21: Mit Hilfe des Fingers (NordArt Büdelsdorf)

26.10.21: Ausflug in den Stillstand (Wendland / Havelland)

31.10.21: Backstein und Fachwerk an Havel und Elbe (Sachsen-Anhalt / Brandenburg)

16.11.21: Wo die Stadt auf die Bahn tifft (Buchholz)

21.12.21: Was fehlte? (Corona)

 

 

 

 

Dienstag, 21.12.2021

Was fehlte?

In einer Ausstellung der Stadtbücherei verarbeiteten Buchholzer Künstler*innen ihre Erfahrungen und Eindrücke im Kontext der Corona-Pandemie. Eine vielfältige und  lebendige Ausstellung mit dem Subtext: "Wir lassen uns nicht unterkriegen!".

Ich hatte eine Reihe von älteren Fotos unter dem Aspekt zusammengestellt, was in den letzten beiden Jahren gefehlt hat: Klassenfahrten, Tanzveranstaltungen, Konzerte im Saal und auf der Straße, Friseurbesuche, Gottesdienste und Karfreitagsprozessionen, Chorsingen, Stadtfeste, Reisen... hier nicht als Collage, sondern nur als Aneinanderreihung  und ohne Text, aber irgendwas fehlt eben immer.

Dienstag, 16. November 2021

 

Wo die Stadt auf die Bahn trifft

 

Zwischen den kleinen Betrieben und den Bahngleisen nach Bremen und Hannover liegt ein Niemandsland, das schon manchmal auf Fotos von Stadterkun-dungen in meiner Heimat zu sehen war. Da war früher der Baumarkt, im letzten Jahr machte Raiffeisen zu, der Partk-and-Ride-Platz ist eine Seenplatte von beein-druckendem Ausmaß, man möchte gleich einen Bootsverleih aufmachen. Der Schuppen vor dem Raiffeisen-markt ist Ende März  abgebrannt (siehe Fotos vom 24.4.21). Der halb verbrannte Atlas liegt noch rum, ein paar zertrümmerte LED-Bildschirme sind hinzugekommen. Bei Raiffeisens ist jetzt das Kaufhaus mit Herz eingezogen, Transplantation aus der Bahnhofstraße. Die blaue "Tigerbrücke" über die Bahngleise ist eingerüstet und wird saniert. Drüben steht ein Wagen von "flixtrain", verbindet Buchholz mit den anderen Metropolen der Welt. "Stop Diebstahl", die verblasste Aufforderung am Fahrradständer wird ignoriert. Einige Fahrräder sind schon etwas länger da, und tatsächlich, einigen fehlt der Sattel, anderen ein Rad, nur das Fahrradschloss hält. Und die Kette ist noch da, hat einer vorsorglich auf den Gepäckträger gelegt. Das wilde Buchholz.

Sonntag, 31.Oktober 2021

Backstein und Fachwerk an Havel und Elbe

 

Havelberg ist regional die Metropole: über 6000 Einwohner hat die Hansestadt. Werben an der Elbe ist auch Hansestadt, aber eine der ganz kleinen: nur knapp eintausend Einwohner (vor fünfzig Jahren waren es fast zweieinhalb mal so viele gewesen). Daneben liegt Seehausen, schon in der Altmark gelegen. Eines haben sie gemeinsam: Die Kirchen sind riesig. Als wenn immer sichergestellt sein sollte, dass auch wirklich alle Einwohner aus dem Städtchen und umzu reinpassen. Und noch etwas ist allen gemeinsam: Die Ein-wohnerzahlen sind drastisch zurück-gegangen. Entsprechend viele Häuser stehen leer, Läden sind geschlossen, bei einem Spaziergang durch die Stadt Werben am Sonnabendvormittag begegne ich nicht vielen Leuten. Havelberg hat einige Touristen, viele mit dem Fahrrad unterwegs, Werben hat offensichtlich eine rege Gemeinde, die sich mit an die Hauswände gepinnten Sinnsprüchen in deutscher und arabischer Sprache offen für Fremde zeigt. Fischernetze am See, unermüdliches Engagement für die Restaurierung kleiner Kirchen, alte Havelarme sind renaturiert. Wer Ruhe sucht, wird fündig. Wer Vergangenheit atmen will auch. Unklar bleibt die Zukunft. (oben: Beustertor, Seehausen / unten erste Reihe: Blick von der Elbfähre bei Räbel, Wachturm oder Hochsitz? (Jederitz), beim Kunsthaus Strodehne / mittlere Reihe: Johanniskirche Werben, Mariendom Havelberg, altes Gasthaus in Strodehne / untere Reihe: Dorfkirche Witzke, Altstadt Seehausen, Petrikirche Seehausen)

Dienstag, 26. Oktober 2021

Ausflug in den Stillstand

 

Ein paar Tage im Grenzland von Sachsen-Anhalt und Brandenburg: Außer den Kranichen und Gänsen, die ständig vorbeifliegen, den zum Teil riesigen Kirchen in kleinen Städtchen, den großen-teils irgendwie noch bewirtschafteten LPGs und viel, viel Backstein gibt es immer wieder diese Orte des Inehaltens. Mit dem Modebegriff "lost places" zu sehr verwestlicht, sind sie wie im Wartestand: Kommt da noch was? Werd' ich noch gebraucht? In den einen oder anderen Kasernenkomplex, das eine oder andere Gutshaus bin ich nicht reingegangen, weil zu nachdrücklich vom Betreten abgeraten wurde oder die Brombeeren den Dorn-röschenstand zu starrsinig-stachlig be-tonten. Bei anderen Häusern standen die Türen offen, die Fenster übrigens meist auch, und manche waren besenrein verlassen, andere vollgekramt und eher lieblos vergessen worden. Manchmal blickte ich nur durch Schaufenster in leere Läden oder Wohnungen. Der Panorama-blick ist frei, sie können ja Gardinen hängen lassen, wenn man nicht reingucken soll. Hier eine kleine Auswahl meiner Ausflugsstationen. Zum einen waren da die Öfen - der Klimawandel reibt sich die Hände und wünscht, die Qualmkisten würdern wieder angeworfen. Andrerseits sehen sie auch im Wartestand durchaus noch hyggelig aus.

Da waren die Sofas, die kleinen Dinge, ein aufgelassenes Fitnessstudio, die Geräteschuppen und Wäscheleinen. Zwei Puppen. Meist gibt es in diesen Häusern keine Geräusche, es sei denn der Sturm bläst und lässt die Fenster klappern. Manchmal fährt irgendwo ein Auto vorbei, draußen lebt noch was, aber hier drinnen bleibt alles unbelebt, unbewegt. Die Dinge haben ihre Geschichte, aber sie ist in ihnen eingeschlossen wie die Mücke im Bernstein . Die Zeit steht einfach still, und wenn ich mich ab sofort nur noch in diesen Häusern aufhielte, würde ich nicht älter dabei. Aber ich gehe lieber wieder.

Montag, 4. Oktober 2021

Mit Hilfe des Fingers

 

 

Die Biennale des Nordens (so übertreiben Einheimische gern mal) findet seit 1998 in Büdelsdorf statt. Das Städtchen am Nordostseekanal hat das ehemalige Stahlwerk Carlshütte zum nordischen Kunst-Treff gemacht. Es gibt viel Flach-kunst (Malerei und Fotografie), viele Skulpturen (vor allem im wunderbaren Park) und eine gelungene Einbettung der Moderne in den Retro-Charme des Industrie-denkmals.

 

In diesem Jahr findet man neben den alten Bekannten (einige Kunstwerke sind hier heimisch geworden und tauchen mal hier, mal dort in neuem Ambiente wieder auf - z.B. das Labyrinth von Orchirbold Ayurzana) auch neue Trends. Viele bauen auf die Hilfe des Fingers (so nennen die Mediziner die digitalen Vorgehens-weisen in der manuellen Diagnostik). Digital - das reicht von den  riesigen 3-D-Druckern, die Künstler wie David Czerny  oder Michal Gabriel im Keller stehen haben und und für immer neue Formen einsetzen. Plastic art for plastic people (mittlerer Block, letzte Zeile.  Digital sind die zahlreichen LED-Spots, mit denen die Skulturen verschiedenfarbig angestrahlt werden, ob es ihnen passt oder nicht (meist eher nicht, finde ich). Einige Video-Installationen finden sich auch, und die sind meist sehr spannend (aber entziehen sich dann doch eher dem fotografischen Zugang, zu ahnen unten, vor und nacvh dem Textblock). Über 200 Künstler haben die Kuratoren aus den viertausend Bewerbungen herausgesucht, und jeder Besucher findet darin wiederum seine fünf, zehn oder zwölf Lieblinge. Ich habe die analogen Werke sehr geschätzt, die Seifen-Torsi von Maria Kulikowska (oben und zweite Zeile unten) oder die Nischenfrau von Vasil Berela (ganz unten). Und irgendwie auch die verschiedenen aus Drahtgeflecht gebogenen Figuren von Veronika Psotkova (im unteren Block, mittlere Zeile).

Angelika Haak aus Köln hat in ihrer Video-Installation "L'Inconnue de la Seine" (oben) das Fließen des So-Seins thematisiert. Was man hier sieht: Das Gesicht verändert sich durch Überdecken mit weißer Farbe oder Durchdringen der Gesichtsfarbe. Was man nicht sieht: Das Gesicht ändert sich (oft fast unmerklich) in dem sich wiederholenden Wechsel von weiß und farbig. Mal lächelnd, mal ernst, in welchem sehe ich Identität, welchem Stimmung, wer bin ich?

Dienstag, 28. September 2021

Art and nature in Buchholz

 

Buchholz, Natur und Kunst? Bis vor kurzem hätte ich ahnungslos mit den Schultern gezuckt. Bis ich letzten Sonnabend die Führung durch das kleine Tal am Buchholzer Südrand miterlebt habe, wo es renaturierte Bäche gibt und Erlenwälder, verschiedenste Moose und Eisvögel. Mittendrin ein halbes Dutzend Kunstinstallationen aus Stein und Holz, in unterschiedlichen Stadien der Vergänglichkeit und Blickachsen da-zwischen, wo das Auge durch die Zeit schweift und das Herz sich füllt mit wohligen Wolken. Schön haben wir es hier in der Nordheide! Und wie so häufig in derartigen Situationen ist man hin- und hergerissen: Das muss man der Welt mitteilen, das sollen auch andere sehen, das muss man kennen! Aber: Bloß keine Werbung, keine Leute herlocken, das geht nicht gut, das muss geschützt werden. Es gibt einen kleinen Trampelpfad, auf dem man ein bisschen  in das Tal reinschnuppern darf. Aber empfehlenswert ist eigentlich nur die Führung in kleiner Gruppe, die die Edmund-Siemers-Stiftung regelmäßig anbietet (jetzt nach den empfindlicheren Corona-Beschränkungen geht's langsam wieder los). Termine erfragen oder sich anmelden kann man unter . Wir hatten das Glück, dass unsere Führung auch von Christine Siemers-Guth begleitet wurde, einer Künstlerin aus dem Stiftungshaus Siemers. Sie hat übrigens auch die Stelen auf dem Buchholzer Marktplatz am Empore-Teich geschaffen. Und den Pferde-Brunnen im Gestütshof (Privatgelände), den wir in ihrer Begleitung auch sehen dürften.

Sonntag, 19. September 2021

Salz und Pfeffer

 

In Obercunnersdorf in der südlichen Oberlausitz finden die fast zweihundert-fünfzig Umgebindehäuser ihren eigenen Stil. Grauer und weißer Schiefer ("Salz und Pfeffer") bildet über dem Holz des Untergeschosses einheitlich-vielfältige Muster. Die Bauerngärten drumherum ergänzen den fast strengen Stil der Fassaden auf das bunteste. Ein Bächlein murmelt durch das leicht begradigte Bettchen, überall schlängeln sich Trampelpfade zwischen den Grund-stücken. Der alte Mann schlurft mit seinem Gehstock durchs Dorf und er-zählt, der weiße Schiefer werde heut-zutage leider gar nicht mehr abgebaut. Man müsse schon hier und da auf Kunststoff ausweichen. Das ist natürlich nicht dasselbe. Wir schlagen wir das Angebot, einer könne uns die über vierhundert Jahre alte Kirche zeigen, aus jetzt nicht mehr nachvollziehbaren Gründen aus. Müssen uns daher mit den auch beeindruckenden Grabmälern aus Jahren wie 1796 und 1868 auf dem Kirchhof zufrieden geben (letztes Bild unten). Obercunnersdorf hat mit seinen Blumengärten schon europäische Preise gewonnen und balanciert auf dem schmalen Grat zwischen gut befürsorgt und touristisch geschönt durch eine bezaubernde Gegenwart.

Sonnabend, 18. September 2021

Ein Vorhang aus Spinnweben

 

 

An diesem Ort wurde seit Jahrhunderten Korn gemahlen. Bis vor knapp dreißig Jahren der gesellschaftliche Fortschritt eintraf und überflüssig machte, was fünfhundert Jahre ausreichend gut gewesen war. Die Maschinen wurden abgebaut und verkauft, die Leitungen als Altmetall verhökert, und das Gebäude steht seitdem leer. Bisher wurde keine Idee für eine Weiternutzung gefunden, die finanzierbar und sinnvoll wäre. Wohnungen? Kulturzentrum? Museum? Nicht mal als Sprayer-Atelier wurde es genutzt. Kein „Betreten verboten“-Schild warnt Neugierige. Irgendwie ist es ein Un-Ort geworden. Der Fremde weiß natürlich gar nicht, ob es am Ort Menschen gibt, die sich den Kopf zerbrechen, wie man dieses Denkmal erhalten und Nutzen könnte. Wahrscheinlich gibt es die, aber wahrscheinlich sitzen sie nicht an den richtigen Hebeln. Womöglich gibt es gar keinen „richtigen“ Hebel. Es ist und bleibt ein Trauerspiel, wie es in der Gegend so vielfach aufgeführt wird. Das Publikum bleibt aus. Irgendwann wird das Stück abgesetzt und ein Haufen übriggebliebener Steinbrocken wird beseitigt. Vorhang.

Mittwoch, 1. September 2021

Buchholz 2025 revisited

 

Drei Tage später noch einmal am selben Fleck: Dieses Mal scheint die Sonne, Spätsommer, und alles wirkt drei Nummern freundlicher. Erneut bin ich überrascht, welchen Charme diese leicht zerrupfte Gegend hat. An zwei Stellen findet noch (klein klein) Kiesabbau bzw. Lagerung statt, etwas Bauschutt, kleinere Sandberge. Aber im wesent-lichen finden wir eine sich selbst überlassene Vegetation, einen kleinen Nordheide-Dschungel, mit hohen Gräsern und roten Beeren und ein bisschen Wald, der durch die Topografie des Kiesabbaus hügelig ist. Die Bäume wachsen da sicher schon einige Jahrzehnt. Ich erinnere mich, dass wir zu Beginn der siebziger Jahre hier in der Kieskuhle eine Großfete der Aktion Jugendzentrum gefeiert haben, mit hunderten von Jugendlichen und Schmalzbrot, und mit einer ungebremst guten Laune. Den Müll haben wir hinterher wieder eingesammelt, war aber gar nicht so viel. Heute führen zahlreiche schmale Wildwechsel durch das hohe Gras, aber außer Kaninchen und Eichhörnchen krieg ich nichts zu sehen. Ein verzauberter Spaziergang, und als ich mich auf dem Rückweg noch einmal umgucke, zu der großen Vogelbeere am Weg, ist da der Ballon über den Bäumen, und ich fliege weg, up up and away, weg von Buchholz 2025 und den überkandidelten Plänen der Stadtoberen, weg von der Ostringplanung, der soll hier mittendurch gehen, durch Wald und Grassteppe, durch all das Wohlgefühl. Fliege in den hoffnungsvoll blauen Himmel, in eine Zukunft, in der all diese Pläne längst wieder in den Schubladen verschwunden sind.

Sonntag, 29. August 2021

Der Extrembotaniker und die Buchholzer Diversität

 

Fünf Stunden unterwegs mit dem Bota-niker Jürgen Feder entzaubern die Buchholzer Stadtplanung. Wo in den nächsten Jahren eintausendfünfhundert Wohneinheiten entstehen und eine Umgehungsstraße Wiesen und Wälder zerschneiden soll,  läd eine beileibe nicht unberührte Natur in all ihren Spielarten: bedroht, selten, dominierend, nützlich, ungeliebt, divers, eintönig... Hier finden sich Pflanzen, die mit dem Hitzestress nicht fertig werden und panisch Samen produzieren, um das Überleben der Familie zu sichern (Bild 2 und 3 unten). Hier sind welche, die erst vor wenigen Jahrzehnten nach Deutschland gekommen sind und sich ausbreiten, bis nur noch wenige andere Arten neben ihnen bestehen können (die Goldrute zum Beispiel). Andere sind schon ein paar Jahrhunderte hier. Einige waren immer schon da, Eichen oder Quecke und Giersch. In der alten Kiesgrube haben sich Goldrute und wenige andere ausgebreitet, aber es gibt auch die in Deutschland selten vorkommende Stundenblume (letztes Bild unten, leider nicht blühend) und die armenische Brombeere. Allerdings wuchert diese bei uns mittlerweile allenthalben... nicht alles, was von weither kommt, ist selten. Die Steinpilze übrigens standen direkt vor dem Buchholzer Finanzamt auf dem Rasen.

Mittwoch, 18. August 2021

Urban Design und Stadtmöblierung.

Die Sperrmüllgalerie

 

"Der Städtebauer ist der Moderator des kollektiven Mangels an Geschmack", meint der Städteplaner und Architekt Kees Christiaanse. Als Fotograf habe ich die Erlaubnis, in diesem Mangelszenario nach ästhetischen Molekülen zu fahnden. Nach den kleinen Dingen, die das Straßennetz der Stadt als Begleitschmuck veredeln. Alle vier Wochen werden die temporären Exponate abgeholt und entsorgt. Der Zeitbegriff und das ewige Werden und Vergehen finden ihren Ausdruck im Fließgleichgewicht der Sperrmüllberge. Manchmal steht ein Berg auch sechs oder acht Wochen da, bis ein aufmerksamer Anwohner den Müllentsorger in Kenntnis setzt und das unerbittliche Werk wieder in Gang kommt. Früher gab es in den Straßen noch regelrechte Sperrmüllpartys, wenn alle Haushalte sich darauf einstellen konnten, diese Straße wird morgen entmüllt, alles Sperrige muss raus. Heute ruft man an und bekommt einen Termin, und meist wartet dann alle paar hundert Meter ein mehr oder weniger kleines Häufchen aus Anbauschränken, Esstischstühlen, Teppichbodenresten, meist platzsparend gestellt und zu neuen Mustern formiert. Oft sehen sie gar nicht, welche kleinen Kunstwerke sie installieren (oft misslingt das unbewusste ästhetische Werk aber auch völlig). Das Sperrige am Müll macht ihn interessant. Deshalb habe ich ein paar Monate lang Sperrmüllmotive gesammelt. Jetzt sind sie reif für die Galerie. Den Anfang machen die Kinder.

Die größte Materialgruppe für die Sperrmüllinstallationen stellen die Möbel, ob aus Wohnzimmern oder Küchen, ob zeitloses Anbaumodell oder altdeutsch.

Einzelheiten aus Technik und Materialkunde schließen diese kleine Galerie ab. Es sind sozusagen kleine, eng umgrenzte und mobile lost places für jedermann, die sich nicht verstecken, aber doch eher immer ein bisschen verschämt übersehen werden. Man muss beim Knipsen schon darauf gefasst sein, gefagt zu werden: "Was fotografieren Sie denn da?" Na ja, Alltagskunst. Glaubt mir dann aber keiner.

Mittwoch, 14. Juli 2021

Bauernhof 2.0

 

Von Buchholz aus zwei Dörfer weiter fällt bei der Durchfahrt das Brachgelände in der Ortsmitte mit dem großen Bauzaun drumherum auf. Mittendrin steht ein alter Personenwagen der Bundesbahn, aus meiner Zeit als Fahrschüler kenne ich solche Wagen noch aus den sechziger Jahren. Hier fällt die gesprühte Parole "Stop Lücking" und "Mafia" ins Auge. Langenrehm hat nie einen Bahnanschluss gehabt, wie kommt es also zu diesem Abstellgleis?

Gegenüber geht es in den Kabenweg. Hier hat ein örtliches Bauunternehmen seinen Sitz, und der gleichnamige Reiterhof Lücking. Der Reiterhof hat einen großen Abenteuerspielplatz, der öffentlich zugänglich ist, und eine Reihe von Exponaten, die  an diesem Ort überraschen: mehrere Lokomotiven, einige Waggons, ein Kran, ein Küstenkutter... ich denke an die Iserhatsche in Bispingen, wo eine noch größere Sammelwut zu einer ganz besonderen Kitsch-Burg führte. Das Sammelsurium ist hier vergleichbar, wenn auch kleiner ausgefallen.  Dutzende alte Küchengeräte hängen am Zaun, eine Art Wegweiser rückt die Kinderbuchklassiker der letzten hundertfünfzig Jahre in den Blick (von "Max und Moritz" und "Nils Holgersson" über "Jim Knopf" bis zum "Sams"). Über dem Eingang, in Regenbogen eingefasst, das Motto: "In Demut / An die Macht der Liebe / für die Kinder dieser Welt".

Ob der Bauunternehmer, dem zentrale Flächen im Ort gehören, eher als Förderer oder als Bremser angesehen werden sollte, ist im Ort umstritten. Es ist nur ein Gerücht, dass die Umbenennung von "Langenrehm" in "Lückingsruhm" vorbereitet wird. In Demut...

Donnerstag, 8. Juli 2021

Der alte Krautrocker und das Erfurter KulturQuartier

 

Dieter Bornschlegel hat früher bei Inga Rumpf in ihrer Band "Atlantis" gespielt und ein paar Jahre auch bei "GuruGuru". Außerdem hat er mit vielen anderen mehr oder weniger bekannten und innovativen Muckern gespielt, z.B. Ramesh Weeratunga oder Helmut Hattler (den ich noch aus den siebziger Jahren von der Deutschrockband "Kraan" kenne). Neulich trat Bornschlegel in Erfurt auf, open air im Innenhof des alten Schauspielhauses, das jetzt alternatives Kulturzentrum ist und seinen Graffiti-Charme in der Sommerabendsonne voll entfaltete. Bornschlegel kann virtuose Psychedelic-Gitarre (1) , aber das war GuruGuru, jetzt kann  er  auch solo kleine Musiktheaterstücke improvisieren und singt überraschende deutsche Texte (2). Oder einfach instrumental mit Jazzbesen auf dem Gitarrenkorpus und etwas Elektronik (3). In Erfurt war es eher (2) und (3). Es war ein Erlebnis.

 

(1) https://www.youtube.com/watch?v=6KR3vbqpMVk - GuruGuru, das Gitarrensolo ist so zwischen Minute 6 und 7

(2) https://www.youtube.com/watch?v=mPRQC4YMClo - Deutscher Rap und Gitarre quer auf den Knien

(3) https://www.youtube.com/watch?v=K_ciK84Rcp4 - ohne Worte

Freitag, 2. Juli 2021

Heilanstalt Hohenlychen

 

Blicke durch den Bauzaun auf die alten Gebäude der Heilanstalten Hohenlychen im Norden Branden-burgs, wo es schon fast Mecklen-burg ist: Bilder wie auf einer handkoloriten Ansichts-karte vom Anfang des letzten Jahr-hunderts. Die Gebäude stehen seit dreißig Jahren leer und werden Schritt für Schritt saniert und renoviert. Schon einige Dutzend Senioren-wohnungen sind bezogen, zwanzig Häuser dösen noch bröselnd und morsch vor sich hin. Ob alle wieder hergerichtet werden, wie sie dann aussehen werden und ob man sie dann noch wiedererkennen kann, das weiß wohl bis dato niemand. Jedenfalls sperrt ein solider Bauzaun das Gelände ab, es wird gebaut und gebastelt, ein Besuch ist unerwünscht. Früher gab es Führungen.

Bis Ende der vierziger Jahre waren hier Heil- und Versuchsanstalten für die verschiedensten Zwecke in Betrieb. Danach wurden die Gebäude vorwiegend für die russische Armee genutzt, die hier Soldaten unterbrachte. Die Heilphase war von extremen Licht- und Schatten-Kontrasten gekennzeichnet: zunächst vorwiegend Lungenheilanstalt, entwickelte sich der Komplex im Dritten Reich zu einer Edel-Reha für Nazi-Bonzen wie Rudolf Hess und Heinrich Himmler. Ein renommiertes Zentrum für Sport- und Unfallverletzungen (z.B. Meniskusschäden) war in den dreißiger Jahren entstanden. Während des Krieges gab es Menschenversuche zur Heilung von Wundbrand und andern Kriegsverletzungsfolgen. Zu gern würde man in die Häuser reingehen und sich von innen ansehen, was übriggeblieben ist. Sich von  hohen Räumen und weiten Treppenhäusern erzählen lassen, wie es früher war. Aber möchte man wirklich wissen, was dort alles geschehen ist?

Auf dem Lychen-See werden heute Touristen mit Flössen geschifft, unter dem Steilufer des Sees entlang, über dem die Heilanstalt direkt am See liegt. Dann erklingt dort das Alphorn, vom Flösser geblasen, und der Klang wird vom Steilufer zurückgeworfen. Oder man isst im Café Kunstpause Ofengemüse mit Feta und Brathering. Das war letzte Woche das Tagesgericht. Das Leben geht weiter.

(Quelle, für Plagiatsforscher: Wikipedia)

Dienstag, 1. Juni 2021

Im Wartestand

 

Irgendwann  wird beschlossen, dass dieses Haus abgerissen wird. Zu alt, nicht gut gedämmt, Renovierung lohnt gar nicht mehr, das Grundstück kann viel dichter überbaut werden. Und dann ziehen alle aus: der Secondhand-Shop, die Kneipe, der Lieferservice. Es ist ja nicht nur ein Haus, das nicht mehr gebraucht wird, da war eine ganze Reihe Läden drin, in den wartenden Häusern, Wohnun-gen, Werkstätten, die Menschen sind weg und mit ihnen die Möbel und Geräte und die ganze Deko. Nur ein paar Gardinen blieben hängen, der Badezimmerschrank ist noch da, alte Teppiche. Dann kommen die ver-schiedenen Zwischennutzungen: Bis alles weggebaggert wird, kann man da noch schlafen, wenn es draußen zu kalt wird, man kann sich mit Freunden treffen und einen trinken und rauchen, man kann mit der Clique rumrockern und Scheiben zerschmeißen und Waschbecken aus der Verankerung reißen, soll ein geiles Gefühl sein. Manchmal kommt ein Fotograf rein und geht durch die Räume, lamgsam, achtsam, sieht sich um, nach oben und nach hinten, nimmt viel wahr und nimmt nichts mit als seine Fotos. Und die Erinnerung an ein schales Gefühl, wie es wohl ist, wenn man nicht mehr gebraucht wird. Häuser in der Nordheide im Wartestand.

Mittwoch, 12. Mai 2021

Bewölkt am Kiekeberg

 

Das Freilichtmuseum Kiekeberg sieht uns recht regelmäßig ein oder zweimal im Jahr, oft (wie heute) mit Besuch. Ich spare mir die Bilder von der Lego-Ausstellung im Agrarium (obwohl die Lego-Installation von der "Kunstschule" skurril und edgy ist, irgendwie kantig-naiv, Lego halt).

 

Wenn es im Freilichtmuseum so leer ist wie heute, früh an einem trüben Tag, kurz nach der erneuten Öffnung in Corona-Zeiten, dann kommt der Dorfcharakter gut zur Geltung, ohne allzuviel Schönfärberei, es fehlt allerdings so ein bisschen der Matsch auf der Dorfstraße, den ich aus meinem Heimatdorf noch gut kenne. Die verschlafene Ästhetik der alten Gebäude muss ein bisschen ankämpfen gegen die ungemütliche feuchte Kühle, das ist ein interessantes Spannungsfeld. Die Bettkammern gewinnen an Anziehungskraft, ein bisschen Einkuscheln wär nicht verkehrt, und sehnsüchtig schweift der Blick über das erloschene Feuer in den feuchten Garten.

 Dienstag, 4. Mai 2021

Bauernland -

OrtsKerne - Die Buchholz-Serie (Teil 2)

 

Bei der Erkundung meines Kiezes komme ich immer schnell aufs Land, das ist hier in Buchholz so. Mal duftet es nach Flieder, mal nach Gülle. Im Wechsel kann man das ganz gut aushalten. Die Wechselwirkung wird in der Collage sichtbar (hoffentlich...).

 

 

 

Dienstag, 4. Mai 2021

 Fremdling im eigenen Haus?

OrtsKerne -

Die Buchholz-Serie (Teil 1)

 

In den letzten Monaten bin ich häufiger mit dem Fotoapparat durch Buchholz und die umliegenden Dörfer gestromert als je zuvor. An einzelnen Orten war ich schon fünf-, sechsmal. Die Wiederholung macht wach. Oft ergibt sich nach diversen Besuchen ein Bild von einer Gegend, das etwas von der Stimmung transportiert, die ich dort entdecke. Manchmal schweigt mich ein Ort einfach nur an, und die Bilder bleiben leblos. Die Sensation im Alltag, das Einmalige im Normalen, das können spannende Augenblicke sein. Oder einfach nur langweilig.

 

Viele von den Bildern, die im Laufe der Jahre so entstanden sind in meinem Kiez, sind für sich gesehen rätselhaft oder unverständlich. Immer wieder gelingt es, durch  Zusammenstellung einen Eindruck anzubieten, der über die einzelnen Bilder hinausgeht. Deswegen kombiniere ich hier Bilder, die aus unterschiedlichen Zeiten und von verschiedenen Orten hier in der Umgebung stammen. Zusammen ergeben sie einen Heimat-Atlas, der vielleicht in keinen Reiseführer oder keine Ortschronik passt, aber meine Heimatlandschaft zeigt. Das ist die Gegend hier, die Stadt, die Dörfer, sind die Einzelheiten. Das Gemeinschaftliche ist zwischen den Bildern, in einem Zwischen-Raum. Manchmal bleibt mir etwas fremd, ohne dass ich das so radikalisieren will wie Höderlin im "Hyperion", mit dem berühmten Satz von den Fremdlingen im eigenen Haus. Manchmal gehört das ja einfach zusammen, das Fremde und das Eigene, und in der Aneignung der Umgebung versöhne ich mich mit der Rest-Fremdheit. Das Fremde ist die Nicht-Mutter, sagt der Psychoanalytiker Mario Erdheim, und in der Berührung mit dem Fremden wächst Kultur. Nun ja, mal sehen, ob das klappt...

Sonnabend, 24. April 2021

Raiffeisenbrand

 

Früher hatte der Unterstand der örtlichen Raiffeisenfiliale zur Lagerung von Dünger und Torf und so gedient, wohl wurde auch mal ein Fahrzeug untergestellt. Seit der Filialschließung wurde das Wellplastik, mit dem der kleine Schuppen verkleidet war, Stück für Stück demontiert. Vor einem Jahr hatte sich ein mehrere Kubikmeter umfassender Haufen Sperrmüll in den Unterstand verirrt, der in eine Decke gehüllt war, die man wegen ihres Blumendekors nicht so schnell vergessen konnte. Ich bin da immer mal vorbeigekommen, weil der Plaza-Baumarkt nebenan auch schon seit Jahren leersteht und einige kleiner Eisenbahner-Gebäude weiter unten auch. Irgendwann könnte hier mal eine neue Straße entlangführen. So lange steht einfach alles irgendwie rum. Im März war ich das letzte Mal da, ein paar Jugendliche tobten auf dem brüchigen Dach des Unterstands rum, alles wie immer.

Nun wurde am 27. März die Feuerwehr zur Hilfe gerufen, weil der Unterstand ("Carport") in Flammen stand.  "Zwei Trupps unter schwerem Atemschutz löschten das Carport zügig ab." So soll es sein. Wenn Linda nicht gestern in der Wartezeit beim Wechsel von Winter- auf Sommerreifen die Brandruine entdeckt hätte, hätte ich von dem Drama gar keine Notiz genommen. So konnte ich es für die Nachwelt festhalten. Der stilisierte Wacken-Aufkleber (mittlere Reihe li) samt Kronkorken gibt dem Ganzen so ein bisschen Heavy-Metal-Flair. Raiffeisen halt.

Freitag, 26. März 2021

Eisenbahnstadt Buchholz

 

Dass aus Buchholz über die ursprüng-lich ein halbes Dutzend Bauernhöfe hinaus eine Stadt geworden ist, ver-dankt es der Eisenbahn. Um 1870 wurde die Bahnlinie Hamburg-Bremen gebaut, mit Wassertankstation in Buchholz. Dann kamen die Linie nach Bremervörde, die nach Soltau / Hannover und über Lüneburg nach Wittenberge. Der Lokschuppen aus dem Jahr 1920 steht für die prägende Kraft  der Bahn, die Eisenbahner-siedlungen drumherum sind nur noch zum Teil erhalten. Die Schotterdeponie auf Höhe des Sprötzer Wegs wurde wegen der Pflanzenschutzgifte, die jahrzehntelang auf den norddeutschen Bahndämmen ausgebracht worden waren (gegen den Sauerampfer und andere Belästigungen) aufwändig saniert und eingezäunt. Daneben stehen noch ein paar alte Waggons auf einem Abstellgleis, überwuchter von Brombeeren. Die Niederbordwagen tragen z.T. den "DR"-Schriftzug der Deutschen Reichsbahn (DDR). Daneben steht eine V200-Diesellok  aus dem Jahr 1963, die ist aber noch in Benutzung. Diese Loks kenne ich noch neben der V60 aus meiner Fahrschülerzeit in Celle, Anfang der sechziger Jahre. Aber auf unserer Strecke fuhren damals nur Triebwagen... so einen hab ich vor einiger Zeit mal in Wathlingen (Kreis Celle) fotografiert, wo wir gewohnt haben, die "Freunde der Kalibahn" wollten ihn wohl noch mal restaurieren.

Dienstag, 23. März 2021

Ganz große Oper

 

Lockdown verlängert bis 18. April. Warum sollte man in die Stadt fahren? Kneipen sind zu, Shopping nur per Anmeldung, und keine Gruppenbildung.  Aber ich bin durstig nach Stadt, in diesem Jahr war ich noch gar nicht in Hamburg, mir fehlen die wallpaintings und Graffiti und paiste-ups, die Parolen und Respektlosigkeiten. Das Ziel war daher  heute die Schilleroper, eines der schillerndsten Kulturdenkmäler der Stadt. Gebaut ursprünglich als Zirkusarena (Zirkus Busch) Ende des 19. Jahrhunderts, im dritten Reich auch mal Bühne für ein von Goebbels verfasstes Theaterstück, später Unterkunft für Hafenarbeiter und Geflüchtete, und seit Jahren und Jahrzehnten meist leerstehend zerrieben zwischen wirtschaftlichen Interessen, Erbenansprüchen, Stadtplanung und Denkmalschutz. Eigentlich unvorstellbar, das man den Stahlgerüstbau einfach so verkommen lässt. Gibt eben auch Drama und Skandal in der Oper. Ganz großes Theater.

Dienstag, 2. März 2021

Estetal

 

Es muss ziemlich feucht sein hier, besonders nachts, das alte Bauernhaus ist spakig und grün. Eine riesige Plane bedeckt das Dach, als wenn hier doch noch was gerettet werden sollte. Zu spät. Zumindest sieht es von außen so aus. Eine größere Scheune wird wohl noch genutzt, der Weg ist irgendwann mal gemäht worden. Die beiden Kajaks unter dem zusammenfallenden Dach sehen noch gut aus, aber der Bach hinter dem Haus ist eher doch nicht schiffbar, und die Este ist schon ein Stück weit weg. Wenn der Frühling kommt und die Vögel ihren Gesang noch mehr aufhübschen, wird es hier idyllisch sein - und unter den alten Bäumen lässt sich trefflich Kaffee trinken, mit einem Stück Butterkuchen. Aber Vorsicht, die Stühle im Schuppen haben alle schon einen leichten Knick.

Mittwoch, 10. Februar 2021

Zunderschwamm und

Goldgelber Zitterling

 

Es ist ein mittlerweile gut bekanntes Phänomen: Corona-Zeiten sind Spazier-gangzeiten. Manchmal lassen sich die Gänge nützlich einbinden. Im ersten Lockdown waren wir ein halbes Dutzend Mal im Stuvenwald unterwegs, um Wildkatzenaktivitäten zu kartieren. Vier Holzmarken mussten regelmäßig kontrolliert werden. Wie erwartet gab es keine Anzeichen für Wildkatzen in unserem Revier... Jetzt, im zweiten Lockdown, geht es wieder los mit den Protokollen, Baldrian und allem Drum und Dran..

Schon vor einem Jahr waren uns bei unseren Protokollgängen die  vielfältigen Baumpilze aufgefallen, an denen man sonst allzuoft achtlos vorbeiläuft. So hat sich im ersten und zweiten Lockdown eine kleine Galerie von Baumpilzen auf meiner Festplatte angesiedelt, die samt und sonders eher ungenießbar sind, aber meist dekorativ. Einige sind wohl Zunderschwämme, und schon vor sechs Jahren habe ich eine Schönheit festgehalten, die wahrscheinlich ein Goldgelber Zitterling sein dürfte (letzte Reihe rechts). Allein diese Namen lohnen die weitere Beschäftigung mit dieser Gruppe aus Porlingen, Schwämmen und anderen Spezialisten für Braunfäule, Weißfäule und Moderfäule.

Donnerstag, 28. Januar 2021

Besenhorster Sandberge:

Naturschutzgraffiti

 

Hier im Westen  von Geesthacht liegen Reste der Pulverfabrik Düneberg. Zusammen mit der weiter östlich in der Gegend des Kernkraftwerkes gelegenen Dynamitfabrik Krümmel war hier im Dritten Reich die "Pulverkammer Deutschlands".

 

Schon 1866 hatte Alfred Nobel in Krümmel mit der Sprengstoffherstellung begonnen. Das Dynamit wurde in Friedenszeiten (Suez-Kanal, Nordostsee-Kanal usw.) bei Bauarbeiten verwendet und dann im Ersten und Zweiten Weltkrieg dazu, alles wieder kaputt zu machen. Zwischendurch stiftete Nobel den Friedens-Nobelpreis, den 1905 seine enge Brieffreundin Bertha von Suttner als erste Frau erhielt. Die Friedenskämpferin ("Die Waffen nieder!") und der Dynamit-Fabrikant - alles etwas widersprüchlich. Wie auch immer, 1945 wurden sowohl die Pulverfabrik Düneberg als auch die Sprengstofffabrik Krümmel bei Bombenangriffen völlig zerstört. Heute sind die Sandberge ein hübsches kleines Naturschutzgebiet mit Trümmereinsprengseln und den zugehörigen Graffiti.

Was dort nicht hingehört: die faschistischen Runen (Hakenkreuz, Werwolfsrune Wolfsangel - auch Bild oben, Lebensborn-Symbol Lebensrune - außerhalb des Bildes, unten rechts), die im Zusammenhang mit nationalsozialistischer Ideologie verfassungsfeindlich und verboten sind. Im Kontext dieser zerstörten Rüstungsproduktion wirken die Nazi-Schmierereien besonders absurd und dämlich. Leider hatte ich keine Spraydosen dabei, um die zu löschen. Damit löst man zwar auch nichts, aber eine kontextualisierte Aufklärung ist hier an diesem Ort schwer vorstellbar. Also weg damit. Oder mindestens ein Schild aufhängen: Diese Nazi-Symbole stehen für Millionen von Toten und zwölf menschenverachtende Jahre. Nie Wieder!

Donnerstag, 14. Januar 2021

Ohne-Sonnen-Blumen

 

Aktuell werden Spaziergänge als Alter-native zum gewohnten sozialen Leben in Corona-Zeiten nicht gerade versüßt. Es ist trübe, regnerisch und kalt. Hier hinter der Märchensiedlung (wo gar keine Märchen wohnen, wie doch der Name anzugeben scheint) knickern die Sonnen-blumen vor sich hin, ohne Sonne und ohne Kerne und ohne gelbe Farbe in den Blütenblättern. Und natürlich ganz ohne Hummeln. Ein paar Meter weiter träumt der Birkenwald, hoffentlich nicht schon wieder ein Albtraum.  Nur zur Erinnerung zwei sonnengelbe Bilder aus dem letzten Sommer, damit man nicht ganz vergisst, wie es auch mal wieder aussehen wird. Ganz bestimmt. Auch wenn man es manchmal gar nicht so ganz glauben kann - die Hoffnung stirbt zuletzt. Allerdings gehört zur Trübsal dieser Tage auch das beklemmte Gefühl, wenn man von "Sterben" spricht, selbst wenn es in der Redensart verpackt ist. 45.000 sind schon gestorben an oder mit dem Virus, wie man gerade so korrekt sagt. In den letzten vier Wochen waren es noch einmal so viele, wie in den vorangegangenen neun Monaten der Pandemie zusammengenommen. Im Hintergrund spielt die Corona-Solo-CD von Nick Cave, "Idiot Prayer" heißt sie. Rundrum trübe irgendwie, mit hellgelben Erinnerungen. Listen to the music...:

https://www.youtube.com/watch?v=gg5Ots83oH0&list=PLOjIk8snVJPvlba_xy--4s9mqOI7Q8RGj

Montag, 5. Januar 2021

Im Buchenwald

 

Die Blätter der Buchen bedecken den Boden. An manchen Stellen gibt es eine unerwartete Wölbung, zieht sich ein Wall durchs Gelände, einen halben oder einen Meter hoch, unter den Blättern. Hier ist nicht nur Wald. Unter der Erde und dem Pflanzen-Mantel liegen Trümmer, die nur selten noch sichtbar sind. Die Bäume gehören zum Druhwald - davon hatte ich bisher nie gehört. Er liegt knapp südlich der Grenze zum Landkreis Harburg im Heidekreis. Von 1938 bis 1945 wurde hier das Marine-Sperrzeugamt Druhwald betrieben. Eigentlich bezeichnete man mit "Sperrzeugamt" ein Munitionslager, aber im Druhwald wurden Granaten und Minen auch befüllt und hergerichtet. Zum Kriegsende wurde alles gesprengt. Bei meinem Spaziergang fand ich noch einige Betonblöcke, die übermoost und verschlafen im Wald lagen. Das war mehr, als ich auf dem Waldgelände des Munitionslagers Kamperheide (zu Tostedt, ein paar Kilometer weiter) im letzten Jahr gesehen hatte.

Am Nordende der früheren Munitionsanlage liegt eine Ansammlung von Häusern, die zu Verwaltung und Wohnbaracken des Sperrzeugamtes gehörten. Des Ensemble war nach dem Krieg über mehrere Jahrzehnte ein Erziehungsheim und wird seit ca. zehn Jahren von einer Religionsgemeinschaft genutzt, unter anderem für ihre freie Schule "Domino Servite". Die freikirchlichen Schulen unter diesem Namen standen in Verbindung mit der südafrikanischen Sekte Kwasizabantu, der schon Prügelstrafe und autoritäre Strukturen nachgesagt wurde. Die Verbindung mit Südafrika wurde kürzlich gelöst. Auf den Fotos der Schul-Homepage vom Druhwald sieht man wohlerzogene Mädchen und Jungen in ordentlichen Schuluniformen.

 

Südlich des ehemaligen Marinegeländes liegt das Dorf Steinbeck/Luhe, es gehört zu Bispingen. Im Dorf gibt es noch die "Marinesiedlung", mit einer Reihe Doppelhäuser in Reih und Glied, die für mittlere Dienstgrade der Bewachungstruppe erbaut worden waren. Nebenan träumt die leerstehende Halle eines Schaustellerbetriebs ("Sonderangebot:  1xBezahlen, 2xFahren mit dem Kinder-Express auf dem Herbstmarkt 2019") vor sich hin. Viele der auf google maps noch zu erkennenden Wagen sind mittlerweile verschwunden. - Aber nach wie vor lebt Hanno gefährlich in Steinbeck. Kopf hoch!