Was bisher geschah:

2.2.2024: Elfriede und die Psychiatrie in Friedrichsberg (Hamburg)

4.2.24: Elfriede in der Osterstraße (Hamburg-Eimsbüttel)

5.2.24: Elfriede in der Fruchtallee (Hamburg-Eimsbüttel)

6.2.24: Elfriede im Rodenhof (Hamburg Altona)

10.2.24: Elfriede und der Hafen (Hamburg)

10.2.24: Elfriede - Hamburger Nachtrag (Hamburg)

11.3.24: Neu im Schaufenster: 150 Jahre Eisenbahn in Buchholz (ebd.)

19.3.24: Harz  natürlich (div. locations im Südharz)

19.3.24: Harz / nice! / schwarz / weiß! (div.)

20.3.24: Freie Feldlage Harzgerode (Harz)

21.3.24: Die Kunst des Verfalls (Harz)

22.3.24: Harzhäuser (Harz)

14.4.24: Exkursion I : Wald im Wandel (Wörme bei Buchholz)

15.4.24: Eskursion II: Spedition InTime (Gewerbegebiet Trelder Berg, Buchholz)

26.5.24: Maiausflüge (Nordheide)

20.6.24: Graffitigalerie Wien Donaukanal (Wien)

21.6.24: ... denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang (Am Steinhof, Wien)

10.7.24: Vienna streets (Wien)

11.7.24: Museum Gugging (Maria Gugging bei Klosterneuburg, Wien)

12.7.24: Die Baumreptiloide vom Großen Arbersee (Bayerischer Wald)

 

 

 

Aktueller Hinweis: Auf der Seite "engelmanns notizen" sind meine Reisenotizen über den Aufenthalt in Prag und Wien mit einem eigenen Menupunkt "Reisen 2024: Prag und Wien"  nachzulesen. (21.6.24)

 

Freitag, 11. Juli 2024

Die Baumreptiloide vom Großen Arbersee

 

 

Auf der Rückfahrt von Wien machten wir ein paar Tage Halt im Bayerischen Wald. Beeindruckt waren wir von den Baum-reptiloiden am Großen Arbersee. Ur-Monster unter der Erde streckten ihre Fühler nach uns aus, schlugen kleinere Säugetiere und erstarrten sofort in un-schuldiger Baumhaftigkeit, wenn man genauer hinsah. Wir kamen heil davon, vielleicht auch weil sie unseren Respekt vor ihrer gewaltigen Erscheinungen spür-ten und wertschätzten. Das Schöne ist nichts als des schrecklichen Anfang... ich hatte es schon in andererm Zusammenhang vor wenigen Wochen in diesem BilderBlog erwähnt.


Donnerstag, 11.Juli 2024

Museum Gugging

 

Darauf waren wir nicht vorbereitet. Ein abendlicher Radspaziergang führte uns vom Campingplatz in Klosterneuburg vor den Toren Wiens in die Ausläufer des Wienerwaldes bis Maria Gugging. Und erst nach der Rückkehr stellte ich fest: Der Name des Ortes kam mir nicht zufällig bekannt vor. Es war in meiner früheren Szene ein fester Begriff: Das Zentrum der Kunst von Psychiatrie-Patienten. In der Nachfolge von Prinzhorn und der gleichnamigen Sammlung der "Bildnerei von Geisteskranken" in Heidelberg wurden in Gugging Menschen mit Psychiatriegeschichte gezielt gefördert. Nach der Schließung der ehemaligen Landesirrenanstalt in Gugging entstand mit dem Museum Gugging eine einzigartige Sammlung von Werken dieser Künstlergruppe, die auch das Interesse von Jean Dubuffet, Brian Eno und David Bowie fanden. Wir sahen neben der Dauerausstellung mit Werken von August Walla, Oswald Tschirtner oder Laila Bachtiar eine Ausstellung mit beeindruckenden Werken der schizophren erkrankten Künstlerin Else Blankenhorn (oben links und mittlere Zeile rechts, Geld für Mama), künstlerisch beeindruckend und seelischerseits ein verwirrender Beziehungsdschungel mit Kaiser Wilhelm, dem sie anverlobt war,  und Bildnissen ihrer selbstgeschaffenen Währung für verschiedene Günstlinge (zum Beispiel die Mama), alles sehr farbig. Gugging hat noch heute, zwanzig Jahre nach der Schließung des Psychiatrischen Krankenhauses, im Haus der Künstler eine Wohnstatt für die Klinik-Maler. Nach der grausamen Geschichte der Klinik Gugging in der Vernichtungsmaschinerie der Nazis gegen psychisch Kranke ist daraus heute ein ermutigender Ort geworden.


Mittwoch, 10. Juli 2024

Vienna streets

 

 

Wien ist bedeutend lebendiger als sein berühmter Zentralfriedhof. Ob die Zeichenklasse an der Wien (neben-stehend), der Ballspielkäfig nahe dem Hundertwasserhaus, der einsame Bär auch gleich da um die Ecke, der Rentner am Yppenplatz mit der Heraus-Forderung ("Heraus zum 1. Mai"), ob bei der Regenbogenparade (unten Mitte) oder auf dem Brunnenmarkt - es herscht eine bunte Mischung von Übermut, Wehmut, Wagemut, Hochmut und Demut. Die ist unterm Strich sehr lebendig. Aber auch sehr doppeldeutig. "Der Tod, das muss ein Wiener sein, genau wie die Lieb a Französin..." sang einst Georg Kreisler. Ich als Nicht-Wiener kann das nicht bestätigen.


Freitag, 21. Juni 2024

...denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang

(Rilke, Duineser Elegien)

Krankenhaus und Kirche Am Steinhof

 

Am Steinhof in Wien Prenzling ist eine Klinik, die als fortschrittliche Psychiatrie Anfang des letzten Jahrhunderts begann, dann im Driten Reich Ort furchtbarster medizinischer und menschlicher Verbrechen wurde und heute zum Teil noch Allgemeines Krankenhaus ist, zum Teil Gedenkstätte und Ort für Kunst und Kultur. Außerdem steht hier die schönste Jugendstil Kirche vielleicht nicht nur Wiens (wie ich finde). Sie wurde gleichzeitig mit den sechzig Pavillons der Klinik 1907  eröffnet, alles entworfen vom Architekten Otto Wagner. In der Gedenkstätte und mit dem Mahnmal hier auf dem ersten Foto wird der 800 Kinder gedacht, die hier im Spiegelgrund, wie die Kinderklinik hieß, umgebracht wurden. Ihre Organe wurden aufbewahrt und z.T. noch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg zu wissenschaftlichen Zwecken untersucht. Die sterblichen Reste einiger aus Hamburg an den Steinhof verschobenen Kinder kamen 1996 Jahren zurück in ihre Stadt und konnten auf dem Ohlsdorfer Friedhof beigesetzt werden.

Das Mahnmal für die ermordeten Kinder und die Gedenkstätte erinnern an die Opfer der Psychiatrie und der Nazi-Ideologie am Steinhof. Die Jugendstilkirche von Otto Wagner erinnert an die Güte der Kirche und die Barmherzigkeit der Heiligen. Ästhetisch ist sie eine Freude. Ethisch ist die kommentarlose Präsentation des Jugendstils fragwürdig. Auf diesem Gelände ist Monströses geschehen. Da kann man nicht nur den guten Willen der guten Menschen loben und den Rest vergessen. Ich habe zumindest bisher keine Auseinandersetzung der Kirche mit der Krankenhausseelsorge am Steinhof in den dreißiger und beginnenden vierziger Jahren gefunden. Zum Glück gibt es aber viele Erinnerungen an die Menschen, an die Kinder, ihre Lebensgeschichten und ihr schweres Schicksal. Das Parkgelände mit den Pavillons steht seit hundertzwanzig Jahren, die Jugendstillaternen leuchten, die güldenen Engel über dem Kirchenportal falten demütig die Hände. Die Geste heißt in Indien "Namasté": Das Heilige in mir grüßt das Heilige in Dir. Das ist gut. Aber reicht es?

Die oberen Zeilen zeigen Bilder vom Gelände des Krankenhauses. Es beherbergt seit einem halben Jahr auch das "QueerMuseumVienna", zur Zeit mit der Ausstellung "Is queer political?". Unten sind Bilder der Anstaltskirche, die seit 2000 renoviert wurde und vor dem Verfall gerettet. Seit 2022 gehört sie zum Konzern "WienMuseum".


Donnerstag, 20. Juni 2024

Graffitigalerie Wien Donaukanal

 

Mit dem Fahrrad entlang dem Donaukanal von Heiligenstadt, vorbei an der von Hundertwasser verzierten Müllverbrennungs-anlage Spitellau bis zur Urania am Zufluss des Flüsschen Wien, der hier kurz überirdisch verläuft (jenseits des Stadtparks verschwindet die Wien im Untergrund wie der Dritte Mann) - hier fährt man kilometerlang an der buntesten Graffiti-Galerie entlang, die ich kenne. Großenteils gehören die bemalten Wände zu den Hundert Jahre alten Kasematten der S-Bahn und Straßenbahn, die hier am Donaukanal entlangfahren, und das stylische alte Mauerwerk bildet einen genialen Kontext zum Sprayer-Wahnsinn.  Ab und zu gibt es hundert Meter, die offiziell für murals vorgesehen sind, aber die weitaus längste Strecke ist wild entstanden und verändert sich ständig. Es gibt nur wenige pieces, die wie das oben abgebildete schon seit 2018 zu sehen sind - Respekt vor der künstlerischen Leistung schützt dieses großartige Werk davor, übermalt zu werden. Wo habe ich tagsüber schon mal Sprayer ganz öffentlich an der Arbeit gesehen, mitten in der Stadt? Mein Bild von Wien ist gesprayt, nicht barock verziert und vergoldet.


Sonntag, 26. Mai 2024

Maiausflüge

 

Oft waren wir in den letzten Jahren im Mai verreist. Dabei haben wir sowohl die Prachtzeit der Gartennatur verpasst als auch die Nordheide im Frühling. In diesem Jahr haben wir verschiedene Spaziergänge in der Heide und im Stuvenwald gemacht oder sind geradelt. Die Bilder sind eher unspektakulär - aber wir fanden es sehr schön... zum Beispiel das aufziehende Gewitter (noch gerade so trocken zuhause wieder angekommen), das renaturierte und zunehmend charmante Büsenbachtal mit den aufgeregten Fröschen oder den Brunsberg.


Montag, 15. April 2024

Exkursion II

InTime am Trelder Berg

 

Das Buchholzer Klimaforum hat einen Tag nach der Exkursion in den Wörmer Forst dann eine ganz andere Welt aufgesucht. Die Spedition InTime im Gewerbegebiet am Trelder Berg hat sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben und seine Türen für eine Gruppe des Klimaforums und andere Interessierte geöffnet. Spannend, wie hier eine hochmoderne Anlage mit modernen Klimatools kombiniert wird. Die voll-elektrischen Sattelschlepper (zwei von dreiunddreißig) fahren mehrmals täglich zwischen Trelde und dem Hamburger Hafen hin und her, auf dem Dach ist eine riesige PV-Anlage installiert, altuelle Höchstbaustandards sorgen für gute Dämmung der Riesenhallen, und die Verwaltungsgebäude sind mit Wärmepumpe ausgestattet. Ein beeindruckendes Bild, das dieser Familienbetrieb abgibt. Und vom Dach bietet sich ein schickes Industrie-Panorama. Die Farbpalette der Außenwand setzt sich zusammen aus den Logo-Farben der Firma (pink und grün) sowie aus den Farben der Heide. Regional eben...


Sonntag, 14. April 2024

Exkursion I

Wald im Wandel

 

Zwischen altem Baumbestand mit Laub-wald und Nutzwald mit Fichten wächst nach Windfall und Dürreperioden eine neue Artenvielfalt aus Eiche, Erle, Kirsche und anderen Bäumen, die an die veränderten Klimabedingungen besser angepasst sind als manche der vertrauten Sorten. Dazwischen gibt es die Infrastruktur früherer Tage: die alte Fischerhütte, einen Mönch am nicht mehr bewirtschafteten Fischteich, den Hochsitz mit nicht mehr vollständig vertrauenswürdiger Konstruk-tion. Bauernland ist im Umbruch, und unsere Exkursion in den Wörmer Forst hat beeindruckend vor Augen geführt, mit welchem Engagement und welcher Sachkenntnis Bauern heute mit den Herausforderungen umgehen. Obwohl niemand weiß, was in fünf oder zehn  Jahren mit unseren Wäldern geschehen sein wird. Wie bis dahin jeder in und um Buchholz diese Arbeit unterstützen kann: Feiern im Backhaus des Hofs Kröger, kaufen beim Hofladen oder den Marktständen des Hofs Wörme, und die leckeren Produkte aus den Forellenteichen von Kröger kaufen!


Freitag, 22. März 2024

Harzhäuser

 

Nicht alle Häuser im Harz sind baufällig, abgerockt oder einsturzgefährdet. Aber für den Bewohner der Metropolregion Hamburg sind es doch eher viele, und das fällt ins Auge. Überraschend viele von diesen Häusern sind denkmalsgeschützt. Nützt aber nicht viel, die Kommunen sind überfordert, Wohnraum hat Vorrang, Infrastruktur für den Tourismus, die Wirtschaft muss gefördert werden. Dabei sind schon viele Häuser oder ganze Ensembles saniert, modernisiert und stilgerecht wieder hergestellt. Trotzdem bleibt der Eindruck: Hier ist aber viel zu tun. Und, bitte schön, den Bahnhof von Rübeland nicht vergessen! den hab ich ins Herz geschlossen.


Donnerstag, 21. März 2024

Die Kunst des Verfalls

 

Mir war auch die Formel von der "Ästhetik des Widerstands" durch den Kopf gegangen, aber die Verwendung dieses Konzepts richtet sich bei Peter Weiss gegen totalitäre Systeme, speziell gegen den Faschismus. Die Ästhetik der Lost Places wendet sich am ehesten gegen den Kapitalismus, der mit seiner Rendite-Fixierung ehrwürdige Gebäude verkommen lässt, weil es sich nicht mehr lohnt. Es rechnet sich einfach nicht. Das muss als Argument ja wohl reichen. Schon der Abriss wäre zu teuer, also lässt man es einfach verrotten. Und die Geister, die diese Gebäude bevölkern, fallen zum einen in die Gruppe der Vandalen (Obacht, toxische Vokabel, die Vandalen sprachen einen östlichen Dialekt, der aber nicht sächsisch gewesen sein soll), neigen also zur rücksichtslosen Zerstörung von Fenstern und sanitären Einrichtungen, oder zu Diebstahl von Kupferrohren und Leitungsdrähten. Die andere Gruppe nutzt die Gebäude für Spray-Versuche, begonnen beim einfachen Vulgär-Slogan bis hin zum ausgefeilten Kunstwerk. Letzteres ist eher selten, aber es gibt immer wieder Graffiti, die auch in der Kunstgalerie ausgestellt werden könnten.

Und es gibt die ungeplante Ästhetik des Zufalls: Da hängt der rausgefallene obere Fensterrahmen in genau dem richtigen Winkel schräg über dem unteren, genau so muss es sein. Die Plastikfolie über dem zerstörten Fenster wird zum abstrakt flächigen Exponat. Das Heizungsrohr schmiegt sich an die Wand, in einer perfekten Biegung. Keiner hat das geplant, und warum auch, es wäre ja nicht besser geworden. Ich liebe diese Entdeckungen. Auf mich haben sie heilende Wirkung. Ist ja auch eine alte Heilstätte.


Mittwoch, 20. März 2024

Freie Feldlage Harzgerode

 

Die Freie Feldlage ist eine Lebensge-meinschaft, die sich nach dem Wegenamen benannt hat. Die "Freie Feldlage" führt von der Mägdesprunger Straße zur ehemaligen Heilstätte für lungenkranke Kinder. Ihre Wurzeln reichen ins Jahr 1927 und zum "Neuen Bauen" im Umfeld des Bauhauses. Schmuckbänder aus rotem Klinker, runde Fenster und geschwungene Linien ergeben mit den nüchternen Baukörpern ein reizvolles Formenspiel. Fast zwanzig Jahre standen die Gebäude nach Schließung der Klinik leer. Seit sechs Jahren leben mehr als ein Dutzend Menschen hier, arbeiten gemeinsam an dem gigantischen Projekt, den denkmalgeschützten Komplex zu erhalten und mit Leben zu füllen. Queer, rauchfrei, hierarchiekritisch, nachhaltig - das Kollektiv hat sich viel vorgenommen. Ein bisschen Größenwahn gehört schon dazu. Aber die Ideen und die Gebäude sind so schön, da lohnt jedes Engagement.


Dienstag, 19. März 2024

Harz

nice!

schwarz

weiß!

 

Was steht hier nicht alles leer: Lok-schuppen, Verwaltungsgebäude, Berg-werke, Plattenbauten... Und alles enthält Geschichte. Die eigene, die der Region, die des Landes. Das Absperrgittergewerbe hat Hochkonjunktur. Einen Spalt gibt es immer. Videoüberwacht? Na ja... Die Dokumen-tation des Verfalls steht unter dem Verdacht des Hausfriedensbruchs. Der Kulturbruch, der darin besteht, die Gebäude und die Erinnerung verfallen zu lassen, ist voll legal. Gut, Gerechtigkeit findet man im Rechtssystem nicht oft auf den ersten Blick. Aber was dieser Verfall für das Bewusstsein der Bevölkerung in der Region bedeutet, das lässt sich sicher rechtlich nicht quantifizieren. Das steht auf einem anderen Blatt. Dabei sprechen die Zeugen der Vergangenheit in den Ruinen eine irgendwie eindeutige, aber gleichzeitig oft mehrdeutige Sprache: Sie berichten von den ästhetischen Bemühungen der Architekten und Handwerker vergangener Epochen, die nicht nur den Ruhm der Bauherren mehren wollten, sondern auch das Leben und den Alltag bereichern (nicht nur sich selbst). Die Bauten bezeugen eine Vergangenheit voll Arbeit, Ungerechtigkeit, Sinn für Schönheit und Überflüssiges, Machtgefälle und Sinnsuche. Das hat auch schon damals nicht immer geklappt in diesem Interessenwirrwarr und dem Irrsinn von Akkumulation, Aristokratie und Bürokratie. Werner Tübke hat das in seinem einzigartigen Monumentalpanorama in Bad Frankenhausen (hier um die Ecke) auf beeindruckende Art und Weise künstlerisch gestaltet und dokumentiert. Leider darf man da nicht fotografieren. Aber streng genommen in vielen der Ruinen auch nicht.


Dienstag, 19. März 2024

Harz natürlich

 

Die Natur ist im Harz schwer in die Defensive geraten. Dürre, Windbruch und Frühjahrsblattlosigkeit sorgen im Zusammenspiel für eine gewisse Trostlosigkeit. Aber durch all diese Widrigkeiten bricht immer wieder großartiges Naturschauspiel hindurch, manchmal im Großen, manchmal im Kleinen. Die Birken unter der Hängebrücke an der Rappbodetalsperre verbinden das Große mit dem Kleinen und bezaubern nachhaltig. Der Wasserfall des Flüsschen Selke ist auch so ein kleiner Gernegroß, und ob die Walzen es schaffen, den ganzen Vorharz einzuebnen, bleibt auch offen.


Montag, 11. März 2024

Neu im Schaufenster:

150 Jahre Eisenbahn in Buchholz

 

Die sechste Fotoaustellung im Schaufenster des Buchholzer Bahnhof-CaFée (Gleis 1) steht im Zeichen des Buchholzer Eisenbahn-geburtstags. 1874 wurde die Bahnlinie Hamburg-Buchholz-Ruhr-gebiet eröffnet und Buchholz bekam seinen ersten Bahnhof. Da wird aus dem Jahr 2024 auf Buchholz und die Bahn geguckt. Alte Niederbordwaggons stehen auf dem Abstellgleis (s. links), vieles rostet vor sich hin, frische Graffiti fahren auf Bahnwagen durch die Stadt oder schmücken die Betonwände am Bahnhof und an den (Partnerschafts-)Brücken. Aus dem Leitartikel zur Ausstellung:

"Vor 150 Jahren begann die Eisenbahngeschichte von Buchholz mit der Strecke Hamburg-Buchholz-Paris.  Zunächst sollte sie über Jesteburg (und an Buchholz vorbei) führen, um zu starke Steigungen zu vermeiden. Aber die neuen Lokomotiven schafften dann auch den kürzeren Weg über Buchholz. Die nächste Verbindung führte von Wittenberge über Lüneburg bis Buchholz (1874). 1901 folgten dann die Heidebahn von Buchholz nach Hannover und kurze Zeit später die Strecke nach Bremervörde. Mit dem wachsenden Verkehrsaufkommen auf den Bahnlinien wuchs die wirtschaftliche Bedeutung der Bahn für Buchholz. Zeitweise lebten ein Drittel der Bevölkerung von der Bahn. Buchholz begann zu wachsen. In den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts entstanden neue Wohnquartiere für Eisenbahner. Die Bahn prägte das Ortsbild. Schon 1870 wurde der einspurige Mühlentunnel angelegt. Einen Bahnübergang mit Schranke gab es in der Heidestraße (Jesteburger Bahn) und seit 1910 eine Straßenbrücke über die Bremer Bahn. 1955 entstand die Brücke Bendestorfer Straße. Tausende von Buchholzern pendeln täglich mit dem Zug nach Hamburg. Ohne Bahn wäre der Verkehr längst zusammengebrochen..."

Der alte Stückgutschuppen unten beherbergt heute einen sozialen Dienst. Die hundert Jahre alten Häuser an der Bahnhofstrasse wurden im letrzten Jahr abgerissen (Bilder davon zeigte die vorangegangene Ausstellung, s. post vom 1. September 2023). Ein Zeitzeuge erinnert sich:

Mitte der sechziger Jahre ging man nach Harburg zum Gymnasium. Das AEG gabs ja noch nicht. Da kamen morgens zwei Züge in Frage: Der Eilzug fuhr um fünf vor sieben, der war immer voll. Der Personenzug fuhr um drei nach. Zum Bahnsteig musste man durch den Fußgängertunnel unter den Gleisen. Der Bahnhof war nur über die Bahnhofstraße zu erreichen. Da kam man am Büro der Bahngewerkschaft GdED neben dem Bahnhofshotel vorbei, wo Bruno Becker residierte. Er war Chef der Gewerkschaft und jahrzehntelang Mitglied im Gemeinderat, natürlich in der SPD. Nebenan war 1924 das erste Buchholzer Kino eröffnet worden, das Hanli. Später kam dann der Heidemarkt da rein, das war der erste Buchholzer Discounter, und es war auch eine Zeitlang Tanzzentrum. Vor zwei Jahren wurde das Gebäude abgerissen. Vieles ist verschwunden. Die tollen Jugendstilüberdachungen aus Holz über den Bahnsteigen wurden Ende der neunziger Jahre innerhalb weniger Tage weggerissen. Im leerstehenden Bahn-Gebäude beim Lokschuppen trafen sich Jugendliche und übten sprayen, bis es vor zehn Jahren entsorgt wurde. Heute steht auch ein altes Stellwerkhäuschen leer und ist ein halbgeheimer Treff. Aber es wird nicht nur im Verborgenen gesprayt. Die Hass-Parole der Fußball-Ultras war vor zwei Jahren monatelang groß von den Bahnsteigen aus zu sehen. Buchholz verändert sich.“

 


10. Februar 2024

Hamburger Nachtrag

Als Elfriede Hamburg schon seit sechs Jahren verlassen hatte und seit fünf Jahren im Psychiatrischen Krankenhaus Arnsdorf bei Dresden eingesperrt war, wurden 1937 ihre Bilder aus dem Altonaer Museum und dem Museum für Kunst und Gewerbe (oben) abgehängt und zerstört oder beschlagnahmt. Die Nazi-Aktion gegen die sogenannte "Entartete Kunst" traf Verfolgte, Wehrlose und Emigranten ohne jeden Unterschied. Heute zeigt das Museum für Kunst und Gewerbe das 1927 erworbenes Bild "Liebespaar" wieder. Es war das erste, das von einer Institution gekauft worden war.


Sonnabend, 10. Februar 2024

Spurensuche in Hamburg (5)

Elfriede in der Hafenstadt

 

1924 war Elfriede Lohse-Wächtler zum ersten Mal in Hamburg. Sie zeltete mit ihrem Mann am Elbufer (hier gesehen von Finkenwerder aus).  Sie lebte dann von 1925 bis 1931 in Hamburg. Sie hatte außer Dresden bisher nur die Sächsische Schweiz und das Böhmerland kennen gelernt. Nun entdeckte sie die Hafenstadt Hamburg. St. Pauli zog  sie an, der Hafen, die Menschen. Viele Motive, die sie malte, sind noch heute zu finden (wenn  auch teilweise verändert, vergrößert, ver-lassen). Sie malte den Blick vom Altonaer Balkon über den Köhlbrand (noch ohne die große Brücke), die Speicher am Fischmarkt mit der Darrhaube über der Mälzerei Näfeke (heute das Design-Möbel-Kaufhaus Stilwerk), die Anleger für die Elbfähren, die Hinterhöfe rund um den Fischmarkt. Viele Motive von heute könnte sie auch damals schon entdeckt haben: den Frühjahrsdom (seit 1925 auf dem Heiligengeistfeld), die Schilleroper (als Schillertheater mit Aufführungen des Brecht/Weill-Stücks "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" in den zwanziger Jahren), die Schlepper auf der Elbe.


Dienstag, 6. Februar 2024

Spurensuche in Hamburg (4)

Elfriede im Rodenhof (Altona)

 

Der Rodenhof war einer von vielen Gängen in der Altonaer Altstadt. Davon ist nur noch "Schmidts Passage" übrig, hier links zu sehen, benannt nach dem damaligen Eigentümer, dem Zimmer-meister Schmidt. Schmidts Passage traf sich mit dem Rodenhof-Gang, der heute überbaut ist. Das Quartier zwischen  Schillerstraße und Biernatzkystraße wird nach wie vor geprägt von der Altonaer Petri-Kirche. Zwischen Altbauten wuchsen auf den Trümmergrundstücken neue Wohnblocks, Baulücken wurden gefüllt, es gibt Schiller's Backshop und eine Shiatsu-Praxis, den Elektro-Fachmarkt "Schalltona" und die kirchliche Kindertagesstätte. Hier kann man leben. Man muss nur die Miete zahlen können, und das konnte Elfriede 1931 nicht mehr und musste deshalb ihr letztes Hamburger Untermietzimmer räumen. Sie wohnte vorübergehend bei Bekannten auf St. Pauli, übernachtete im Bahnhofswartesaal (den gibts heute nicht mehr, der Bahnhof Altona ist ein zugiges Einkaufszentrum) oder in Kneipen. Dann ging sie zurück nach Dresden, weil sie nicht weiter wusste. Aber ihre Eltern konnten bald auch nicht mehr mit ihrer nervösen, misstrauischen und ängstlichen Verfassung zurechtkommen und sie wurde 1932 in die Psychiatrie in Arnsdorf bei Dresden eingewiesen. Dort blieb sie bis zu ihrem Tod in der Gaskammer von Pirna-Sonnenstein im Jahr 1940.


Montag, 5. Februar 2024

Spurensuche in Hamburg (3)

Elfriede in der Fruchtallee

 

Die Fruchtallee war seit alten Zeiten Teil eines Heerweges, der über die Fruchtallee und die Schäferkampsallee weiter zum Dammtor führte. Heute eine sechsspurige Hauptverkehrsachse, war sie auch vor hundert Jahren schon gut genutzt von den Bewohnern der Arbeiterqurtiere und Mietskasernen, die die Gegend zwischen Eimsbüttel und der Sternschanze dominierten. Im Zweiten Weltkrieg wurde fast alles in Schutt und Asche gelegt und nach dem Krieg wuchsen hier acht- bis fünfzehnstöckige Wohnbauten. Das Haus, in dem Elfriede Lohse-Wächtler um 1929 in der Fruchtallee 111 zur Untermiete bei einem Dentisten lebte, steht nicht mehr. Zwischen Hausnummer 109 und 115 ist eine Lücke mit ein bisschen Grün und vielen Parkplätzen.  Heute man man an den Klingelbrettern der Wohnblocks Namen aus allen Teilen der Welt lesen.


Sonntag, 4. Februar 2024

Spurensuche in Hamburg (2)

Elfriede in der Osterstraße

 

Das erste Untermietzimmer von Elfriede Lohse-Wächtler, nachdem sie sich zum wiederholten Mal von ihrem Ehemann Kurt Lohse getrennt hatte, war in der Osterstraße 63. Das Haus, in dem sie 1927 lebte, steht nicht mehr, es fiel dem Bombenkrieg zum Opfer. Heute stehen an der Stelle die typischen Rotklinker-Blocks der frühen sechziger Jahre. Dazwischen die Glaserei Struckmann, die ungefähr zehn Jahre nach Elfriede in der Osterstraße ihren Laden mit Werkstatt eröffnete. Im Schaufenster der Glaserei, die auch Spiegel und Bilderrahmen anbietet, spiegelt sich die historistische Fassade der Osterstraße gegenüber. Wenn man durch einen Torbogen durchgeht zur Henriettenstraße, die parallel zur Osterstraße verläuft, kommt man in die Hinterhöfe mit der Glaserei-Werkstatt und mit Garagen, die dort errichtet wurden, wohin das Zimmer von Elfriede blickte. Heute ist die Osterstraße beruhigt mit dem Schwerpunkt auf Radfahrer- und Fußgängerfreundlichkeit. Eimsbüttel ist kein echtes Arbeiterviertel, aber an einem der Fahrradhäuschen gegenüber klebt ein Plakat mit der Erinnerung an den Hamburger Aufstand von 1923. Eine von der KPD Wasserkante ausgerufene Revolte konnte sich in Eimsbüttel und Barmbek eine kurze Zeit halten, wurde dann aber schnell niedergeschlagen. Elfriede hate in Dresden als junge Frau auch an Veranstaltungen des Spartakus-Bundes teilgenommen - aber als sie nach Eimsbüttel zog, war der Hamburger Aufstand schon die Geschichte einer Niederlage.


Freitag, 2. Februar 2024

Spurensuche in Hamburg (1)

Elfriede  und die Psychiatrie in Friedrichsberg

 

Seit dem letzten Eintrag hier im Bilder-Blog sind ungewöhnlich lange zwei Monate vergangen. Wie kommt's? Eine Veranstaltungsreihe des Buchholzer Kunstvereins anlässlich des Gedenktags für die Opfer des Nationalsozialismus' am 27.1.2024 hat die Zeit gebraucht. Wir haben eine Gedenkfeier am 27.1. ausgerichtet, zu der über 200 Zuschauer und -hörer kamen, und dort kamen die Texte zum Einsatz, die ich über verfolgte Maler*innen der 20er/30er Jahre in Hamburg im letzten Jahr geschrieben hatte. Und am 31.1. habe ich mit einer Referentin zusammen einen Vortragsabend über Elfriede Lohse-Wächtler bestritten, die das Leben herausgefordert hat und Kompromisse in den Wind geschlagen, "wollen wir leben / das Leben", hat sie geschrieben, und gemalt auch in den Monaten in der Hamburger Psychiatrie 1929 und auch noch zu Anfang der acht Jahre in der Psychiatrie Arnsdorf bei Dresden (1932-1940), bis sie gebrochen war und 1940 im Rahmen der Aktion T4 von den Nazis ermordet wurde.

Ich bin auf ihren Spuren in Hamburg herumgelaufen und habe fotografiert, in verschiedenen Wohnquartieren, wo sie ihre Untermietzimmer in den Jahren von 1925 bis 1931 hatte, und auf dem Gelände der früheren Irrenanstalt Friedrichsberg (heute Schön-Klinik Eilbek). Ich bin Spuren der Vergangenheit begegnet und dem neuen Hamburg, alten Bäumen auf dem Krankenhausgelände, die dort seit 150 Jahren stehen, und den Neubauten der modernen Klinik  mit der modernen Psychiatrie-Station und modernen Behandlungsmethoden. Als ich in den achtziger Jahren in diesen Stadtteilen ambulant sozialpsychiatrisch gearbeitet habe, war die Psychiatrie noch in einem (besonders von außen) schönen, aber laut hallenden und eher altmodischen Gebäude außerhalb des eigentlichen Krankenhausgeländes, das hatte mir gut gefallen, und die ganze Moderne unter dem irreführenden Namen "Schön" hat das Ganze nicht gerade beseelter gemacht. In einer Sitzecke im Gebüsch fand ich die Schnapsflaschen im Papierkorb, mit denen sich vielleicht die Patienten die Pausen vertrieben haben, in denen sie nicht durch die Entzugsbehandlung auf Station beansprucht waren. Ebenfalls am Rand die Belüftungsrohre für den alten Weltkriegs-Bunker am S-Bahnhof Friedrichsberg (Foto oben) . Bedrohung ist überall, manchmal als Erinnerung. Hier also das Kapitel mit den Bildern aus Friedrichsberg. Elfriede war hier 1929 für zwei Monate im Haus zehn (mittlere Reihe links) untergebracht. In dieser Zeit entstand ihre berühmte Werkreihe "Friedrichsberger Köpfe".

Die letzte Reihe zeigt die provisorische Behausung, die Wohnungslose am Rand des Krankenhausgeländes im Park versteckt haben. Elfriede war in den letzten Wochen ihrer Hamburger Jahre auch ohne Obdach, ihre Untermietzimmer hatte sie nicht mehr bezahlen können.

Heute erinnert an die Malerin der Elfriede-Lohse-Wächtler-Rosengarten auf dem Gelände der Schön-Kliniken sowie der Elfriede-Lohse-Wächtler-Weg auf dem Teil des Areals, der früher auch Klinik war und im Zuge der Privatisierung der Klinik abgeteilt und mit Wohnblocks bebaut wurde. Hier gibt es Straßenkunst nach Bildern der Künstlerin. Und es gibt eine Tafel unter der S-Bahn-Brücke Friedrichsberg zur Geschichte der Irrenanstalt Friedrichsberg. Lohse-Wächtler ist nicht vollkommen vergessen. Ihre Bilder (soweit nicht zerstört) kann man noch sehen. Und ihr Leid ist nicht aus der Welt.